Die Einfachheit des Seins.
Ein sehr guter Freund schrieb gestern in einem Gruppenchat: „Ey Franzl, wir sollten wieder Kiffen – zurück in die Welt in der uns alles egal war. Stundenlang GTA oder Gran Turismo online zocken, drei Filme hintereinander schaun, einfach stoned sein und die Zeit Zeit sein lassen.“ Natürlich meint auch er das nur halbernst. Aber der Gedanke hat mich zum Nachdenken gebracht. Über die Einfachheit des Seins. Auch dauerbekifft war ich Mensch. Ich hatte Spaß und mein Leben war durchaus geregelt. Die Nachteile dieses Lifestyles habe ich hier bereits deutlich geschildert, aber es hatte auch ganz pragmatische Vorteile. Scheiße, wir haben uns für den Sonntag online verabredet und im Winter nicht selten den ganzen Tag gezockt. Ich weiß, was viele von Euch darüber denken, aber das war angenehm. Feine Sonntage waren das. 6 Studienfreunde, durch Jobs in ganz Deutschland verstreut, die einen „gemeinsamen“ Tag verbringen. Darunter waren auch zwei Nichtkiffer, die aber lange nicht die gleiche Ausdauer beim Zocken abliefern konnten. An diesen Tagen gab es keinen Alltag mehr. Morgen ist morgen, heute wird gezockt und gelacht.
Warum muss ich an dieses simple Beispiel denken? Ganz einfach, ich glaub ich kann das kifffrei nicht mehr so einfach. So von außen betrachtet kommt mir die Situation auch kindisch und klischémäßig vor, aber trotzdem erinnere ich mich an die Einfachheit und vor allem an den Spaß, den wir hatten. Scheiße, wir haben uns kaputt gelacht dabei. Wir waren kreativ und ausgelassen. Sie ist schwer zu beschreiben, die Welt, in der es keine Probleme gibt. Denn ich hatte ja genug davon: bewusst auf emotionaler Ebene und unbewusst hinsichtlicher meiner charakterlichen Entwicklung. Das Leben war trotzdem irgendwie einfach. Wenn ich von irgendwas genervt oder betrübt war, habe ich mich zurückgelehnt und den Kopfdreck einfach zugekleistert. Zack, weg. Und es ging weiter. Ich kam gut zurecht in dieser Welt, konnte mir die Sachen kaufen, die ich so brauchte. Beruflich hatte ich mich auf ordentlichem Niveau eingependelt. Meine soziale Kompetenz war ebenfalls solide. Ich glaube, ich hätte gut und gerne bis zur Rente durchbarzen können, ohne hoffnungslos unglücklich zu werden oder gar in der Gosse zu landen. Zu sein, also zu existieren, ist scheinbar wirklich einfach. Nicht einfach wie leicht, sondern eher schwer aufzuhalten. Ich denke dabei besonders an die vielen wesentlich extremeren Lebensentwürfe: Berufsgauner, Heroinsüchtige, Obdachlose, Frauen in gewalttätigen Beziehung oder die vielen Familien in all den Slums dieser Welt. Ich möchte meine Situation natürlich unter keinen Umständen vergleichen – all diese Personen kämpfen ums Überleben. Es geht mir um die Gewohnheit. Im Gegensatz zu diesen Schicksalen war mein Ausbruch natürlich ein Kinderspiel, aber es gibt durchaus eine Parallele. Das Leben geht immer irgendwie weiter, bis es irgendwann endet.
Stagnation ist das Stichwort. Ich habe eine Menge Bewegung in mein Leben gebracht über die letzten Monate und ich merke, dass ich mich ein bisschen einpendele in dieser Situation. Kleine Schritte – vielleicht erinnert ihr Euch – sollen es sein. Allerdings möchte ich diese kleinen Schritte auch weiterhin machen. Jeden Tag ein Stück vorwärts kommen. Das ist furchtbar anstrengend und ich fühle mich in letzter Zeit oft ein bisschen müde. Dennoch habe ich Stillstand zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt. Ich sehe mich ein bisschen nach der Einfachheit des Stillstands und deshalb habe ich wahrscheinlich auch so lange über die Nachricht nachdenken müssen. Und sie hat mich mal wieder zu einer simplen Erkenntnis geführt: allein der Ausbruch aus der täglichen Kifferei und der Welt der Egalität kann nicht das finale Ziel sein. Die gewonnene Freiheit muss ich jeden Tag verteidigen. Und zwar mit Entwicklung. Süchtig oder nicht – das Leben geht weiter und heute ist und bleibt heute und damit der Tag für den nächsten kleinen Schritt.
Die Nachricht steht auch stellvertretend für die allgemeine Unzufriedenheit, die ich so um mich herum bemerke. Scheinbar kommt die so oft postulierte „Generation Y“ einfach früher in die Midlifecrises. Keine Lust mehr auf das „9 to 5-Hamsterrad“ ohne Ausweg, oder die Vorbestimmtheit die so eine Hochzeit mit sich bringt. Das Leben ist schon ein Arschloch. Wenn du nicht richtig aufpasst, dann ist es irgendwann einfach vorbei und beim Blick zurück wird abgerechnet. Was überwieg: Sorge oder Freude?; Glück oder Unglück?; Verpasste oder genutzte Chance?
Seid ich nicht mehr kiffe, schiebe ich den Gedanken nach einem Wochenendurlaub vor mir her. So nur für mich. Schluss mit der Schieberei. Die Egalität ist auskuriert – ab jetzt starte ich ein neues Projekt und ich nenne es „Tu es, du Armleuchter!“ Hoffentlich klappt dieser Ansatz mit der gleichen Konsequenz, mit der ich die Kifffreiheit durchgehalten habe. Tu es, Franzl. Weniger denken – mehr handeln. Auf geht’s!