Anfang des Jahres 2014
Hallo,
ich bin Franzl und ich bin süchtig. Gras war die vergangenen zehn Jahre Mittelpunkt meines Lebens. Diese Erkenntnis ist relativ frisch und ich schreibe nun diesen Blog, um meine Gedanke festzuhalten und zu teilen. Ich weiß, ich bin nicht allein mit diesem Problem. Ich mache auch nicht die Droge dafür verantwortlich, dass ich süchtig wurde/bin. Aber mein Leben war diktiert von Konsum und Stillstand. Das soll sich nun ändern und Euch nehme ich mit.
Franzl Paffka ist natürlich ein ausgedachter Name, den ich hier verwenden möchte, um meine wahre Identität zu verschleiern. Ich bin 30 Jahre alt, habe studiert und arbeite als Freiberufler und mache „Irgendwas mit Medien“. Kiffen war sehr lange ein Teil meiner Identität und ich habe nie ein Gehimnis daraus gemacht. Notwendigkeit war immer meine/unserer Rechtfertigung für den Konsum. Ich bekomme doch alles geregelt, warum sollte ich etwas ändern? Doch Sucht ist stark und es geht nichtmal so um die Droge Gras, sondern vielmehr um die Verdrängung von Gefühlen.
In diesem Blog schreibe ich unregelmäßig über meine Erfahrungen mit dem Ausstieg. Ich bin nicht allein. Gerade in meinem Alter gibt es viele Jungs und Mädels, die die gleichen Prozesse durchmachen: Schlafstörungen, Traurigkeit, Kraftlosigkeit und Unklarheit über die Perspektiven.
Fette Grüße, Euer Franzl.
Das Eichhörnchen und die Stilfrage.
Heute bin ich über einen Blog-Beitrag vom MC Winkel gestoßen. Seine Geschichte beschreibt er ein bisschen anders, aber ich bin sicher, dass auch der Winkel ein paar der Auswirkungen kennt, die ich hier bereits angesprochen habe: Kiffer für die Rebellion zum Beispiel und vielleicht stellt er auch seine Identität in Frage, so wie es viele unter uns getan haben. Winkel ist ein Blogger der ersten Stunde und ich verfolge sein Zeug schon eine ganze Weile. Er ist in seiner zweiten Woche und verspricht seine Leser auf dem Laufenden zu halten. Ich bin gespannt. Er geht, anders als ich, ganz offen mit seiner Geschichte um. Gut so – vielleicht lüfte ich irgendwann auch mal meine Identität und stehe zu meiner Geschichte. Bislang habe ich das Thema, vor allem im beruflichen Umfeld eher inkognito gehalten. Ich wollte einfach nicht in diese Kiffer-Schublade gesteckt werden. Schließlich war ich ja Business-Kiffer und nicht einer dieser zotteligen, dreadlockigen Verpeilten. Das ist keineswegs beleidigend gemeint, nur meine Interpretation der allgemeinen Wahrnehmung eines „Kiffers“.
Scheiße, es geht mir gut. Mehr als acht Monate sind seit meinem Einstieg in die Abstinenz vergangen und ich fühle mich mit jeder Woche besser. Für mich war der Joint zu Feierabend ein so elementares Ritual und ich war sicher, dass er mir gut tut. Für mich war das der richtige Weg den Stress des Alltags abzuschalten und in den Ruhemodus zu wechseln, quasi auf Knopfdruck. Eher auf Dreh am Rädchen, da ich stets BIC-Feuerzeuge mit Rädchen bevorzugte. Stil war immer ein Thema. Wenn ich billige Tokai-Feuerzeuge in Benutzung sehe, verdrehe ich noch heute die Augen. Stil war mir wichtig. Ich hatte auch nie mehr als drei Stummel im Aschenbecher. Hatte ich Besuch, aber ich Kippenrauchern stets einen eigenen Aschenbecher hingestellt. Ich wollte meinen Joint einfach ablegen können, ohne das gleich der Geruch stinkender, angesengter Filter in der Luft liegt. Ich hab Pfeifenraucher auch nie verstanden, die ihre Köpfchen einfach auf dem Tisch ausgeklopft haben, so dass der nach ein paar Pfeifendurchläufen aussah, wie bei Hempels. Nein Nein, bei mir war immer alles Tutti. Auch meine Joints sahen aus, als kämen sie aus der Fabrik: kein Knick und vor allem keine überlangen braunen Schamlippen, die entstehen, wenn das Papier über den Tipp ragt. Kann man doch abbrennen, oder besser einfach so basteln, dass der Tipp ein bisschen unten aus dem Joint rausguckt. Stil halt. Krümel, die beim bauen entstehen, habe ich nach dem Bauen mit der Blättchenpackung in eine kleine Schale gekehrt und nicht einfach auf dem Tisch gelassen. Aus dem Inhalt ließen sich fantastische Reste-Tüten bauen, die richtig geknallt haben. Keine Ahnung warum.
Heute kann ich über diese Interpretation von Stil, und mein Verständnis davon, schon gut lachen. Was war ich doch für eine Laberbacke. Süchtig war ich. All diese Ordnung und Einbildung von Sorgfalt und Klasse war nur die Stimme des Eichhörnchens, dass mir den Konsum schöngeredet hat. Klar, als Instrument hat das Gras seine Wirkung vollbracht. Mit dem ersten Zug war der Ruhemodus angeklickt und ich hab mich nicht mehr mit den Aufgaben des Tages, der Woche und des Lebens auseinandergesetzt. Für den Rest des Abends war Ruhe. Am nächsten Morgen habe ich dann mehr schlecht als Recht die wichtigsten Tasks abgearbeitet und mich zur nächsten Ruhephase durchgeschlagen. Abschalten ist wichtig und ich bin immernoch auf der Suche nach einer guten Möglichkeit dazu. Sport klappt perfekt. Wenn ich einen Ball in der Hand habe, ist alles andere ausgeblendet. Aber das ist eben keine Möglichkeit für den Abend auf der Couch, um das Gehirn ein bisschen zu beruhigen und die Gedanken langsam auf Schaf zu polen. Of mache ich abends ein Hörbuch, oder WDR5 an um ein bisschen Ablenkung zu haben und häufig erwische ich mich dabei, dass mein Gehirn trotzdem weiter die offenen Punkte meiner ToDo-Liste bearbeitet. Gras hat diesen Prozess einfach gestoppt. Ein Zug und es herrschte Stille.
Meine Lösung ist Organisation. Ich schreibe viel auf. Mache mir Listen mit Aufgaben für den nächsten Tag und versuche sie der Reihe nach abzuarbeiten. Das scheint zu helfen. Oft stehe ich Abends noch mal aus dem Bett auf und schreibe ein, zwei Dinge auf ein Post-It. Danach kehrt dann oft Ruhe ein, denn ich weiß, dass ich die Aufgabe notiert hab und nicht vergesse. Nach 8 Monaten Abstinenz beschäftige ich mich mit solch einfachen Lösungen. Aber Lösungen sind eben besser als Sorge über Unzulänglichkeit. Die hat nämlich in meiner Kifferzeit die Oberhand gehabt. Ich bin viel entspannter geworden und Sorge mich deutlich weniger. Kleine Schritte, große Schritte – schon am Anfang war mir klar, dass Arbeit auf mich wartet.
8 Monate sind ein Riesenerfolg, dass muss und darf ich für mich selbst anerkennen. Auch ein bisschen Stolz ist okay. Ich muss das Wort Stil neu definieren. Am Wochenende war ich seit langem mal wieder ernsthaft Klamotten kaufen, keine Sneaker, North-Face-Jacken oder bunte kurze Hosen, sondern Business-Outfits. Das hab ich nie gemocht, aber diesmal hatte ich Spaß dran. Mein Selbstverständnis wird besser. Business-Kiffer hab ich mich geschimpft. Der Kiffer ist Vergangenheit und jetzt bastele ich am Mann. In kleinen Schritten. Besser spät als nie.
Ich bin ein bisschen geheilt. Ich hab keine Angst vor einem Rückfall, wenn es passiert, stehen schon in diesem Blog viele Gründe, die mir sagen, dass der tägliche Joint am Abend eine enorme Bremse ist. Nein, ich fühle ich mit gut und freue mich auf Alles, was kommt. Weiter so.
Bleibt dran. Es lohnt sich. Euer Franzl.
Statusbericht: 9 Monate.
Drei mal drei ist Neune. 9 Monate bin ich jetzt clean. Ich fühl mich auch sauber. So langsam sollte das ganze Kraut, dass ich mir so viele Jahre durch die Birne gezogen haben komplett aus meinen Organismus verdampft sein. Ich fühle auf jeden Fall nichts mehr davon. Mein Leben hat sich verändert seit meinem Ausstieg. Positiv verändert. Absolut positiv.
Hört auf zu kiffen – ihr da draußen. Ihr, die ihr hadert. Ihr, die ihr glaubt kiffen ist nur ein Mittel zum Runterkommen. Zum Abschalten von einem „harten“ Arbeitsalltag. Täglich kiffen ist ein Kreislauf, der ultrahart zu durchbrechen ist. Es beginnt doch meist gleich. Auf den kleinen Rausch ab un zu folgt schnell das Ritual des täglichen Absackers. Dieser Schritt ist nicht unausweichlich, aber ebenso wenig abwegig. Ich habe verdrängt, habe schöngeredet und verharmlost. Das war ein Irrglaube.
Macht Euch bewusst, warum ihr kifft. Versucht herauszufinden, ob es nicht doch einen tieferen Grund für die vielen einsamen Joints gibt. Alleine Drogen zu nehmen zu nehmen würde ich immer als Alarmsignal werten. Egal, ob es der einsame Joint auf der heimischen Couch, der heimliche Schluck Jägermeister oder die Nase Koks auf dem Büroklo ist.
Ich fühle mich frei. Jetzt gehe ich raus, setze mich aufs Rad und genieße den goldenen Oktober. Drogenfrei und glücklich. Die Sonne reicht mir für ein gutes und wohliges Gefühl. Das ist ein tolles Ergebnis. Bald ist mein Ziel rum: ein Jahr kein Gras. Ich glaube ich mach zwei draus. Warum sollte ich auch wieder kiffen? Mein Leben ist besser geworden.
Ich drücke Euch alle. Bleibt; werdet stark!
Euer Franzl
Der Weg des MC Winkel.
Mein Lieblingsblogger MC Winkel hat vor kurzem ein Geständnis abgegeben: er kiffte, erst vorsichtig und dann täglich. Wir kennen diesen Ablauf ja alle. Als Berufsblogger und quasi „Markenbotschafter“ ist das ein sehr mutiger Schritt, wie ich finde. Er nannte seine abendlichen Joint „das Glas Rotwein des modernen Mannes“. Unweeding nennt er seine Geschichte und mittlerweile gibt es bereits den dritten Teil seiner Geschichte. In seiner winkelschen Schreibe erzählt er zunächst, wie es überhaupt dazu kam und seine Suche nach der ganz persönlichen Lieblingssorte. Absolut Lesenswert.
Wie die Suche nach der Lieblingstraube beschreibt der Winkel seine Suche nach der für ihn besten Sorte. Der Junge muss einen sehr kompetenten Dealer gehabt haben. Ich war froh, wenn meine Lieferanten überhaupt mal wussten, was sie vertickten. Amateure. Aber der Winkel gibt sich auch gern als Conoisseur des guten Geschmacks. Zu Recht, wie ich finde. Allerdings musste ich über den Einsatz der Drehmaschine schon schmunzeln. Ich hab die Leute immer belächelt, die kiffen wollten, aber nichtmal einen ordentlichen Joint drehen konnte. Da war ich Perfektionist. Scheiße, ich konnte wirklich überall einen perfekten Jizzl basteln. Ne große Barztwurst für 3, einen Sticky für Zwischendurch oder einen Holländer zum Steak – da war ich Fein-Mechaniker.
Von der Verdrängung zur Erleuchtung
Der Weg meines persönlichen Unweeding ist ja jetzt schon wirklich Fortgeschritten und ich finde es bedrückend, wie sehr sich mein Bild des Grases verändert hat. Die kleine Pflanze, die ich so genoss und liebte ist zu einer Metapher für Melancholie geworden. Mir ist bewusst, dass mein persönlicher Weg nicht allgemeingültig ist. Ich hatte offene Baustellen, emotionale Schwierigkeiten und Sorgen, die aus meinem ganz persönlichen Lebensweg begründet sind. Ich habe mich von dieser Sucht befreit, die es mir nicht möglich machte, all das zu erkennen, was mich blockierte. Ich kiffte, um zu verdrängen. Ja, ich muss mir eingestehen, dass ich mich in den Rausch flüchtete, anstatt an mir und meiner Situation zu arbeiten.
Neun Monate später fühle ich mich ernsthaft befreit. Das kleine Eichhörnchen, dass ich als Synonym für den inneren Drang einen Joint zu rollen erfand, ist nicht mehr. Der kleine Scheißer ist weg. Wahrscheinlich sitzt er nun auf einer anderen Schulter und flüstert: „lass ma kiffen!“ Ich verteufle das Gras noch immer nicht. Für mich ist es immer noch die harmloseste aller Drogen. Aber ich würde die Suchtwirkung niemals mehr runterspielen. Das Ritual des täglichen „Gehirnausschalters“ hatte sich so fest in meinem Leben verankert, dass ich zeitweilig dachte es würde für immer zu mir gehören. Ich bin scheissfroh, dass ich jetzt mit über 30 den Absprung geschafft habe. Es war höchste Eisenbahn. Wahrscheinlich war die Trennung, die mir vor etwas mehr als einem Jahr so sehr zusetze und mich noch tiefer in die Kifferei trieb letztendlich mein Ausweg. Noch einmal gab ich mich damals ganz ausgiebig der Melancholie hin. So sehr, dass ich dachte ich verliere mich und meine Lebensfreude. Es war wirklich ein Tiefpunkt in meinem Leben, der dem heutigen Hoch den Anstoß verlieh.
Diese Zeilen zu schreiben fühlt sich merkwürdig an, denn ich fühle mich meilenweit von diesem traurigen Zustand entfernt. Ich bin frei. Erleuchtet, naja – auf jeden Fall erleichtert. Ich bin ein neuer Franzl.
Die Einfachheit des Seins.
Ein sehr guter Freund schrieb gestern in einem Gruppenchat: „Ey Franzl, wir sollten wieder Kiffen – zurück in die Welt in der uns alles egal war. Stundenlang GTA oder Gran Turismo online zocken, drei Filme hintereinander schaun, einfach stoned sein und die Zeit Zeit sein lassen.“ Natürlich meint auch er das nur halbernst. Aber der Gedanke hat mich zum Nachdenken gebracht. Über die Einfachheit des Seins. Auch dauerbekifft war ich Mensch. Ich hatte Spaß und mein Leben war durchaus geregelt. Die Nachteile dieses Lifestyles habe ich hier bereits deutlich geschildert, aber es hatte auch ganz pragmatische Vorteile. Scheiße, wir haben uns für den Sonntag online verabredet und im Winter nicht selten den ganzen Tag gezockt. Ich weiß, was viele von Euch darüber denken, aber das war angenehm. Feine Sonntage waren das. 6 Studienfreunde, durch Jobs in ganz Deutschland verstreut, die einen „gemeinsamen“ Tag verbringen. Darunter waren auch zwei Nichtkiffer, die aber lange nicht die gleiche Ausdauer beim Zocken abliefern konnten. An diesen Tagen gab es keinen Alltag mehr. Morgen ist morgen, heute wird gezockt und gelacht.
Warum muss ich an dieses simple Beispiel denken? Ganz einfach, ich glaub ich kann das kifffrei nicht mehr so einfach. So von außen betrachtet kommt mir die Situation auch kindisch und klischémäßig vor, aber trotzdem erinnere ich mich an die Einfachheit und vor allem an den Spaß, den wir hatten. Scheiße, wir haben uns kaputt gelacht dabei. Wir waren kreativ und ausgelassen. Sie ist schwer zu beschreiben, die Welt, in der es keine Probleme gibt. Denn ich hatte ja genug davon: bewusst auf emotionaler Ebene und unbewusst hinsichtlicher meiner charakterlichen Entwicklung. Das Leben war trotzdem irgendwie einfach. Wenn ich von irgendwas genervt oder betrübt war, habe ich mich zurückgelehnt und den Kopfdreck einfach zugekleistert. Zack, weg. Und es ging weiter. Ich kam gut zurecht in dieser Welt, konnte mir die Sachen kaufen, die ich so brauchte. Beruflich hatte ich mich auf ordentlichem Niveau eingependelt. Meine soziale Kompetenz war ebenfalls solide. Ich glaube, ich hätte gut und gerne bis zur Rente durchbarzen können, ohne hoffnungslos unglücklich zu werden oder gar in der Gosse zu landen. Zu sein, also zu existieren, ist scheinbar wirklich einfach. Nicht einfach wie leicht, sondern eher schwer aufzuhalten. Ich denke dabei besonders an die vielen wesentlich extremeren Lebensentwürfe: Berufsgauner, Heroinsüchtige, Obdachlose, Frauen in gewalttätigen Beziehung oder die vielen Familien in all den Slums dieser Welt. Ich möchte meine Situation natürlich unter keinen Umständen vergleichen – all diese Personen kämpfen ums Überleben. Es geht mir um die Gewohnheit. Im Gegensatz zu diesen Schicksalen war mein Ausbruch natürlich ein Kinderspiel, aber es gibt durchaus eine Parallele. Das Leben geht immer irgendwie weiter, bis es irgendwann endet.
Stagnation ist das Stichwort. Ich habe eine Menge Bewegung in mein Leben gebracht über die letzten Monate und ich merke, dass ich mich ein bisschen einpendele in dieser Situation. Kleine Schritte – vielleicht erinnert ihr Euch – sollen es sein. Allerdings möchte ich diese kleinen Schritte auch weiterhin machen. Jeden Tag ein Stück vorwärts kommen. Das ist furchtbar anstrengend und ich fühle mich in letzter Zeit oft ein bisschen müde. Dennoch habe ich Stillstand zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt. Ich sehe mich ein bisschen nach der Einfachheit des Stillstands und deshalb habe ich wahrscheinlich auch so lange über die Nachricht nachdenken müssen. Und sie hat mich mal wieder zu einer simplen Erkenntnis geführt: allein der Ausbruch aus der täglichen Kifferei und der Welt der Egalität kann nicht das finale Ziel sein. Die gewonnene Freiheit muss ich jeden Tag verteidigen. Und zwar mit Entwicklung. Süchtig oder nicht – das Leben geht weiter und heute ist und bleibt heute und damit der Tag für den nächsten kleinen Schritt.
Die Nachricht steht auch stellvertretend für die allgemeine Unzufriedenheit, die ich so um mich herum bemerke. Scheinbar kommt die so oft postulierte „Generation Y“ einfach früher in die Midlifecrises. Keine Lust mehr auf das „9 to 5-Hamsterrad“ ohne Ausweg, oder die Vorbestimmtheit die so eine Hochzeit mit sich bringt. Das Leben ist schon ein Arschloch. Wenn du nicht richtig aufpasst, dann ist es irgendwann einfach vorbei und beim Blick zurück wird abgerechnet. Was überwieg: Sorge oder Freude?; Glück oder Unglück?; Verpasste oder genutzte Chance?
Seid ich nicht mehr kiffe, schiebe ich den Gedanken nach einem Wochenendurlaub vor mir her. So nur für mich. Schluss mit der Schieberei. Die Egalität ist auskuriert – ab jetzt starte ich ein neues Projekt und ich nenne es „Tu es, du Armleuchter!“ Hoffentlich klappt dieser Ansatz mit der gleichen Konsequenz, mit der ich die Kifffreiheit durchgehalten habe. Tu es, Franzl. Weniger denken – mehr handeln. Auf geht’s!
Statusbericht: 10 Monate
Zehn Monate. Zur Feier des Tages ein Zitat vom Ten Guy: „Marilize Legajuana“! Hab ich wohl auch mal einen dummen Tenguy-Spruch rausgehauen? Ich hab mich immer für relativ clever und kultiviert gehalten in meiner langen Kiffer-Phase. Aber ich fürchte viele der bekifften Diskussionsgruppen über Krieg und Frieden waren nicht so „deep“, wie wir uns das damals einbildeten.
Ich habe Abstand gewonnen zu dieser Zeit. Zehn Monate bin ich jetzt raus und über diese Zeit hat sich meine Haltung zum Kiffen ständig verschoben. Es begann mit Trauer über den Abschied. Danach folgte Ärger über die verpasste Zeit. Später ein bisschen Hass auf das Kraut und meine Sucht. Dann wieder ein wenig Wehmut nach der Einfachheit des bekifften Lifestyles. Es folgen bestimmt noch ein paar Phasen, bis ich die Sache wirklich neutral betrachten kann. Aber ich bin auf jeden Fall entspannt. Die Erinnerung an mein oberstonedtes Ich bringt mich zum Lachen. Weil ich in den vorhandenen Erinnerungen zum größten Teil ein breites Lächeln auf dem Gesicht hab weil mein breites Gehirn gerade irgendeinen Schabernack ausheckt. Superstoned und superhappy.
Den Blog habe ich gestartet als andere Emotionen meinen Alltag beherrschten: Melancholie, Weltschmerz und Liebeskummer. Im letzten Jahr meiner Sucht war ich wirklich nur noch megastoned und mellow. Traurig und ziellos bin ich von Tag zu Tag geschlichen. Ohne diese Phase würde ich heute sicher immernoch mit der gleichen Überzeugen kiffen, mit der ich die vielen Jahre vorher das Kiffen verharmlost und vergöttert habe.
Heute gilt für mich Folgendes: Ein gesunder Geist ist offen für Drogen und stark genug den Effekt einzusortieren. Ein schwacher Geist kann durch die kleinste Erschütterung aus dem Takt geworfen werden.
Ich war schwach und emotional ausgemergelt. Ich bin heute froh über diese Phase. Ich habe in der Zeit viel gelernt: über mich und auch über mein Umfeld. Ich habe im Zuge dieser „Kriese“ den Ausstieg aus einer Suchtsituation geschafft und fühle mich heute stark genug nicht noch einmal zu so einem Trauerkloß zu werden, der ich in der Zeit war. Hinfallen und Aufstehen. Diese Regel lernen wir eigentlich schon in unserer Kindheit. Ich habe es erst spät begriffen. Genauso wie die Sache mit den kleinen Schritten. Meine ToDo-Liste war ewig und ich habe gar nichts angepackt. Heute stelle ich mir kleine Aufgaben und arbeite Schritt für Schritt an deren Umsetzung. Geschmeidig zum Erfolg.
Zehn Monate also. Stark Franzl. Ich klopf mir selbst auf die Schulter und gehe einfach weiter. Ich bin kein besserer Mensch geworden. Ich habe immernoch Probleme, Ziele, Aufgaben und Träume – aber alles ist ein bisschen einfacher und klarer geworden. Auf die nächsten zehn.
Lieber Gruß,
Euer Franzl