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Stoned auf der BAB.

Vier Monate kifffrei bin ich heute auf den Tag. Die letzte Woche habe ich hier kein Tagebuch geführt. Mein Status hat sich auch nicht verändert. Schlafen klappt ganz gut. Gedanken an einen Joint habe ich nach wie vor selten und die Stimmungsschwankungen halten sich in Grenzen.

Es ist Montag und ich trinke abwechselnd Kaffee und Red Bull. Das Wochenende war kurz und ich bin müde. Egal. Heute erzähle ich Euch eine kleine Geschichte, die Teil meines Abschiedes vom Dope war. Es war Ende letzen Jahres und ich folgte einer Hochzeitseinladung nach Bayern. 3 Stunden Autofahrt. Ohne mir wirklich etwas dabei zu denken, drehte ich mir zwei kleine Tüten vor und setze mich in meinen alten Automatik-Benz. Auf der Autobahn stellte ich den Tempomat auf 110 und zündete mir den ersten Spliff an und fuhr gemächlich auf der rechten Spur Richtung Süden. Es war schon dunkel, die Autobahn war leer und aus im Autoradio schwappte ein ruhiger Indie-Beat. Ich fahre gern Auto, achte das Rechtsfahrgebot und bin ein gelassener Verkehrsteilnehmer. Roadrage kenne ich nicht, eher wundere ich mich über den Hass, der täglich auf deutschen Straßen herrscht. Während der Fahrt zu kiffen war für mich in dieser Zeit nicht völlig Ordnung, aber irgendwie okay. So richtig stoned wurde ich ja eh nicht mehr. Heute sehe ich die ganze Angelegenheit etwas anders und habe mir geschworen mich nur noch völlig klar ins Auto zu setzen. Ich will dieses Verhalten hier auf keinen Fall verharmlosen, aber ich erzähle die folgenden Ereignisse so, wie sie sich zugetragen haben.

Geschmeidig glitt ich durch Hessen und zündete mir kurz vor der bayrischen Grenze den zweiten Joint an. Der Benz ist mit mehr 300 Tausend Kilometer auf der Uhr und trotz seinem stolzen Alter ein wunderbares Reisemobil. Ich rollte so dahin und hing meinen Gedanken nach. Es war bereits die dritte Hochzeit des Jahres und irgendwie beneidete ich die Jungs, um ihre soliden Partnerschaften und Lebenswandel. Sie heiraten, kaufen Häuser, machen süße Kinder und machen Pärchenurlaub, anstatt mit Rucksack und Oneway-Ticket nach Übersee zu fliegen. Während ich mal wieder ins Selbstmitleid abdriftete bemerkte ich plötzlich einen silbernen 5er im Rückspiegel. Oh shit, die fragen sich wohl grad, was der alte Benz mit dem NRW-Kennzeichen hier macht. Am nächsten Autobahnkreuz überholte der Fünfer mich schließlich und die roten Buchstaben wiesen mich an ihm zu folgen. Ich lüftete also nochmal kurz durch und sammelte mich ein wenig.

„Guten Abend, einmal Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte,“ begrüßte mich der bayrische Beamte in Zivil. „Servus, aber natürlich“, antwortete ich freundlich und gab ihm die Papiere. Ich erkundigte mich, warum die Beamten mich denn kontrollieren würden und deutete mit einem Verweis auf mein Outfit (Ordentliche Hose, weißes Hemd und Sakko am Haken im Fond) an, dass ich auf dem Weg zu einer Hochzeit war. Verrückterweise trug der Beamte den gleichen Nachnamen, wie der Bräutigam, verwandt waren die beiden jedoch nicht. Es ginge um eine Routinekontrolle und der Suche nach Drogen. Ob ich denn schon einmal in dieser Sache auffällig geworden sei, fragte er und logischerweise log ich ihn in nettem Ton an. Natürlich sagte ich auch, dass ich weder Drogen bei mir führen würde, noch in letzter Zeit welche konsumiert hätte.

Als kleiner Einschub zwischendurch: Lügen ist nicht strafbar. Ich kenne meine Rechte. Ich bin kein Fan der Polizei, hege aber auch kein Gräuel gegenüber Beamten. Sie sind Teil unseres Rechtsstaates und das ist auch gut so. Ich bin froh, dass ich in Deutschland geboren bin, denn ich genoss bislang gerne alle Privilegien, die unseren Staat ausmachen. Die Autobahnen sind gut, die Krankenversicherung exzellent und ich konnte nahezu kostenfrei studieren, obwohl ich aus einer Arbeiterfamilie komme. Aber das nur am Rande.

Ob ich denn einverstanden wäre ein paar Test zu durchlaufen, um meine Aussagen zu belegen. Aber Klar, Herr Kommissar. Die meisten von Euch kennen den Drill wahrscheinlich aus eigener Erfahrung. Erstmal Pupillencheck: Normale Reaktion. Keine Ahnung, ich hatte nie die typischen Klatschaugen. Als nächstes Augen zu, Finger auf die Nasenspitze. Easy. Auf einem Bein stehen. Ich bin sportlich und auch das war für mich keine unlösbare Aufgabe. Zwei, drei Meter Pisspott erledigte ich mit einem lächeln und freundlichem Smalltalk mit der Kollegin des Beamten. Jetzt kam was Neues: Bitte schließen Sie die Augen und schätzen Sie dreißig Sekunden ab. Augen zu und 21, 22, 23 … Als ich Stopp sagte, blickte die hübsche Blonde und ich auf ihr iPhone und was zeigte das Display. 30,34 Sekunden. Innerlich hob ich die Hand zum imaginären High-Five. Das Ding war gelaufen. Für die Bayern-Cops war klar: der Junge ist okay. Der ist nett und clean. So clean, wie Mutters Küche.

Dürfen wir uns denn in Ihrem Wagen einmal umsehen? Mir war klar, dass das nicht gut gehen würde, aber naja. Das gehört eben zu den Rechten der Polizei. Verneinen würde nur Stress bedeuten, also ließ ich den Beamten suchen. Es dauerte nicht einmal zwei Minuten, da fand er meinen Reisebeutel mit OCBs, Tipps und einem kleinen Döschen Weed. Was haben wir denn hier? Sie sagten doch, dass Sie keine Drogen mit sich führen würden. Immernoch freundlich sagte ich ihm, dass ich meine Rechte kennen würde und wir kamen überein, dass es okay sei davon gebrauch zu machen. Naja, das sei in Bayern nicht in Ordnung sagte er. Sprach von Strafanzeige und „Konfizage“. Ich erklärte ihm, dass ich beabsichtigte das ganze Wochenende in Bayern zu bleiben und es doch nicht gegen das Gesetz sei eine Party mit einem kleinen Joint zu beschließen.

Wir müssten dann jetzt zum Revier und die Anzeige zu Papier bringen. Ich solle den Beamten doch hinterherfahren. Ich konnte es nicht fassen. Ich fuhr den Beamten also hinterher. Die hübsche Blonde kümmerte sich um alles weitere. In Bayern wird man erkennungsdienstlich behandelt, wenn man mit Drogen erwischt wird. Also erstmal Fotos machen: zum Glück hatte ich einen Anzug an. Das müssen wohl die solidesten Fotos eines Gras-Konsumenten in der Geschichte Bayerns sein. Danach digitale Fingerabdrücke. Zum Glück benutzten die zu der Zeit schon keine Tinte mehr. Hätte die älteren Hochzeitsgäste sicher irritiert. Ich führe nebenbei ein sehr nettes Gespräch über die Gesetzeslage rund um Cannabis mit der Bayerin. Ich konnte nicht fassen, dass noch immer niemand meine Pisse oder auch nur meine klebrigen Fingerkuppen nach Gras untersuchen wollte. Ich versuchte also das Bild vom soliden Hochzeitsgast, der nur ein bisschen Kraut dabei hat, zu festigen und offenbar gelang mir das. Denn nachdem der Papierkram erledigt war, wünschten mir die Beamten, dass ich trotz dieser Eskapade die Feier genießen solle. Ich entschuldigte mich für den Papierkram, den ich Ihnen aufbrockte und durfte gehen, fahren, feiern. Unfassbares Glück.

Ich setze mich ins Auto, machte mir erst einmal eine Kippe an. Es war nicht das einzige Mal, dass ich ungeschoren davon gekommen bin. Aber zu der Zeit hatte sich in mir schon etwas verändert. Es war natürlich ein bisschen aufregend, ich hatte die Obrigkeit überlistet. Trotzdem, es musste sich was ändern. Ich konnte die Fete nicht richtig genießen. Es war eine tolle Party voller toller Menschen, die sich ehrlich mit und für ein tolles Paar freuten. Das tat ich auch, aber ich konnte nicht verdrängen, dass mein Leben zwar aufregend war, aber doch auch traurig. Ich war traurig. All die Spannung war doch unnötig. Ich trank ein halbes Helles mit den Jungs und stahl mich irgendwann gegen zwei Uhr morgens davon, um wieder heimzufahren. Mir wurden drei Couchen angeboten, ich habe ein angeregtes Gespräch mit der wunderschönen Portugiesin geführt, die ich immer nur auf Hochzeiten und anderen Events dieser Bayerntruppe sehe und dennoch fühlte ich mich beschissen.

Ich setzte mich also wieder in den Benz und fuhr die drei Stunden zurück. Das Gras hatten mir die Cops ja genommen und so hatte ich nichtmal Sorge, dass ich irgendwie illegal unterwegs war. Dabei war der letzte Joint ja erst sechs, sieben Stunden her. Ich hatte wahrscheinlich zehn Jahre ständig aktives THC im Blut. Zu Hause angekommen, dreht ich mir erstmal eine fette Tüte und legte mich mit ihr ins Bett. Mary und ich, wir waren kein Paar, dem andere zu ihrem Glück gratulierten, auf das sie neidisch schielten und bewunderten. Wir waren ein trauriges Paar. Es war höchste Zeit für eine Trennung. Heute bin ich nicht froh, dass ich damals nicht von den Cops gefickt wurde, sondern, dass ich Mary dann irgendwann endlich den Laufpass gab.

Was ist die Moral von dieser Geschichte? Kein Plan. Ich kiffe nicht mehr. Ich habe mich von einer Sucht befreit, die mein Leben bestimmte. So sehr, dass ich nicht einmal für eine Autofahrt zu einer Hochzeitsfeier klar bleiben wollte. Bekifft sein war einfacher, als mich damit auseinanderzusetzen, dass ich traurig über den Ausgang meiner letzten Partnerschaft war. Das ist alles Westentaschen-Psychologie, aber ist dennoch irgendwie logisch. Ich kiffte, um einfache Zusammenhänge zu verdrängen und das machte mich zum Süchtling. Jetzt bin ich clean und nur ganz langsam kann ich diese ganzen kleinen Zusammenhänge aufdröseln. Vier Monate bin ich jetzt dabei, in kleinen Schritten wieder zu einem glücklichen Franzl zu werden.

Weiter geht’s! Bleibt dran und bleibt sauber.

 

Gemeinsamkeiten. Glück. Und Shit.

Fuck, heute habe ich mal wieder einen gemischten Tag. Ich hab mich extra in Schale geworfen heute: neue Schuhe helfen mir ungemein mich wohler zu fühlen. Trotzdem hatte ich heute Mittag einen üblen Durchhänger und musste mal zwanzig Minuten die Augen zu machen. So langsam schlafe ich besser, aber meist montags mittags überfällt mich regelmäßig eine nervende Schlaffheit. Ich fühle mich dann körperlich ausgezerrt, zittere leicht und mache mir große Sorgen um meine Konstitution. An Konzentration ist nicht zu denken. Nach einer Stunde und einem ekligen Mittagessen ging es dann wieder.

Jetzt ist es vier und ich habe meine Pflicht-ToDos für heute abgehakt. Die Bonus-ToDos auf meiner Liste verschiebe ich mal getrost auf wannauchimmer. Grund für diesen Eintrag ist ein Bericht, den ich heute mittag während meiner Mattheit gelesen habe. Es war ein Forum-Thread eines promovierten Wissenschaftlers, der mit 45 Jahren seine Kiff-Sucht erkannt hat und vier Monate Tagebuch über seinen Entzug geschrieben hat. Erst mit 45 Jahren hat er entdeckt, dass er wirklich süchtig ist. Er beschreibt in seinen Beiträgen, wie er den Kampf angenommen hat und man erkennt über einen Zeitraum von vier Monaten genau, wie sich seine Einstellung verändert. Er entfernt sich immer mehr von dem Glauben an eine harmlose Gewohnheit hin zu einer Überzeugung, dass Cannabis Auslöser vieler verdrängter Probleme ist. Sehr spannend. Wer sich dafür interessiert, kann die Texte hier nachlesen. Der Thread endet abrupt im Januar 2010. Simon, ich hoffe es geht Dir gut und Du bist stark geblieben. Falls Du zufällig auf diesen Blog stößt, melde Dich mal kurz. Gerade in dieser Geschichte habe ich viele Parallelen zu meiner eigenen entdeckt. Erst nach mehr als drei Monaten entdeckt er seine Traurigkeit, so ging es mir auch. Leider endet die Geschichte auch zu dieser Zeit. Naja, ich schreibe nun meine auf und hoffe weiterhin Menschen zu inspirieren sich mit Ihrer Sucht auseinanderzusetzen. Mir hilft es ungemein von Erfahrungen zu lesen und meine eigenen aufzuschreiben.

Ich habe mittlerweile viele dieser Forenbeiträge gelesen und bin immer wieder erstaunt über die Gemeinsamkeiten, die uns Abstinenzler verbinden.

1. Schlafen und Träume

Es beginnt mit Schlafstörungen, die mal nach einer Woche vorbei sind oder sich auch mal Monate lang ziehen. Einschlafen ist bei den meisten schnell kein Problem mehr. Durchschlafen können wohl nur die wenigsten in dieser Phase. Ich habe ja bereits beschrieben, dass ich oft nachts aufgestanden bin, um im Wohnzimmer eine Kippe zu rauchen. Und das oft mehrfach. Das mache ich übrigens noch immer, aber meist nur noch einmal pro Nacht.

In dieser Zeit kommen dann auch die Träume wieder und mit Ihnen die Auseinandersetzung mit der eigenen Gedankenwelt. Wirre Träume, Albträume und Träume in denen die Abstinenz gebrochen wird wechseln sich ab. Diese Phase geht zu Ende, wann scheint individuell verschieden.

2. Traurigkeit und die Frage nach der eigenen Identität

Ist die erste Phase überwunden, kommt oft die Frage nach der eigenen Identität und Reue. Ich frage mich seit Wochen, warum ich so lange am Gras festgehalten habe. Ich habe viele schöne Erinnerungen aus dieser Zeit, aber die hätte ich natürlich auch, wenn ich nicht dauerstoned durch die Welt gelaufen wäre. Das Gefühl, so viel verpasst zu haben und mich nicht wirklich weiterentwickelt zu haben wurde immer stärker. All das führte zu einer tiefen Traurigkeit. Selbstmitleid hat mich oft geplagt. Ich armer Franzl. Warum habe ich es so schwer?

3. Wendung der eigenen Argumentation

Einhergehend mit der Reflexion des Selbst kommt meist auch ein Turnaround in der Argumentation. Der Glaube an die Harmlosigkeit von Gras schwindet und weicht der Erkenntnis, dass der langjährige Konsum doch Spuren hinterlassen hat. Ich bin immernoch der Meinung, dass Cannabis eine eher weiche Droge ist, aber ich rate jedem zur Vorsicht. Sucht ist übel und es ist ein langer und harter Prozess sich davon zu lösen. Es gibt sie, die Genuss-Kiffer. Aber auf jeden verantwortungsbewussten Kiffer kommen sicher 10 Süchtlinge, wie ich es bin.

Wie oft ich schon gesagt habe: Morgen ist Schluss und trotzdem habe ich mir tags drauf ein neues Paket Verdrängungskraut besorgt und den Verzicht auf wannauchimmer verschoben. Es geht mir noch schwer über die Tasten, aber ich glaube: nur komplette Abstinenz funktioniert für mich. Fuck. Werde ich nie wieder kiffen? So soll es sein!

4. Erkenntnis

Wie gesagt, ich habe mittlerweile viele Geschichte gelesen. Darunter Kids, die sich schon mit 15 alle Perspektiven verkifft haben. Sich den Schulabschluss verbaut haben, die erste Liebe verpassten und mit Anfang 20 sehr verzweifelt den Ausstieg versuchen. Viele Geschichten sind darunter gewesen, die sehr meiner eigenen gleichen. Jungs oder Mädels, die relativ spät anfingen und nach jahrelangem Konsum plötzlich merken, dass sie süchtig sind, Probleme haben und irgendwie traurig sind. Oder eben Erwachsene, die nach mehr als 20 Jahren die Erkenntnis überfällt, dass ihr Leben so irgendwie nicht funktioniert. Eins verbindet uns alle: eben diese Erkenntnis, dass wir ein bisschen aus der Spur geraten sind. Dabei spielen Alter, Geschlecht und Erfolg offenbar keine Rolle.

5. ? 

Ich weiß nicht, was jetzt noch kommt. Ich bin froh, nicht stolz, dass ich soweit gekommen bin und werde weitermachen.

Life is a bitch. Wir alle haben Tagträume und Erwartungen an unser eigenes Dasein, die meist nicht erfüllbar sind. Heute finde ich das okay. Ich bin bescheidener und realistischer geworden. Träume sind schön, aber die Erkenntnis, dass das Leben eben auch mal Scheiße ist darf uns nicht betrüben. Meine Reise durch Asien hat mir sehr die Augen geöffnet. Ich habe viele Vorteile genossen, allein dadurch, dass ich in Deutschland aufgewachsen sind. Viele Probleme, die viele Menschen auf der Welt jeden Tag erleben, habe ich nie kennenlernen müssen.

Auf der anderen Seite steht folgender Satz: Jemandem zu sagen, dass er nicht traurig sein soll, weil es viele Menschen auf der Welt schlechter haben ist genauso, als würde man argumentieren: du kannst auch nicht Glücklich sein, weil es viele Menschen besser haben.

Probleme und Traurigkeit sind real, egal welche Ausprägung sie haben. Meine Traurigkeit ist real. Ich kann sie nicht einfach abschalten. Trotzdem ist sie nicht unheilbar. Ich nehme mir viele Dinge vor. Einige Punkte auf dieser ToDo-Liste werde ich irgendwann abhaken können. Andere nicht. Shice drauf. Dann soll es eben nicht sein. Ich muss weiter nach meinem persönlichen Glück suchen.

An dieser Stelle mal was persönliches: Ich wünsche Euch allen von Herzen alles Gute. Kämpft Euren Kampf. Ich hoffe ihr findet, wonach ihr sucht. Ohne Sucht. Findet Glück und friede mit Euch selbst. Und Danke. Danke für Euer Feedback. Danke, dass ihr Eure Gedanken mit mir teilt. Danke.

Franzl, der Kiffer!

Wer bin ich eigentlich? Ich hatte immer ein klares Selbstverständnis. Als Kiffer war ich offen, hatte keine Schwierigkeit mit großen Gruppen. Habe ungehemmt fremde Leute angesprochen und stand oft im Mittelpunkt der Gruppe. Die letzten zehn Jahre war ich überall einfach der Kiffer. Der lustige Typ, der immer eine Idee im Kopf hat und halt zu jeder Gelegenheit seinen Utensilienbeutel rausholt und einen dreht.

Es gab wirklich keine Aktivität, die ohne Kiffen auskam. Vor dem Kino wurde selbstverständlich einer geraucht. Selbst im Kino habe ich schon gekifft. Auf Konzerten habe ich immer gekifft. Mitten in der Menge: wen stört das schon. Wer freundlich guckte, mit dem teilte ich den J auch immer gern. Ich kann mich an ein Fanta 4 Konzert erinnern. Vor der Halle in Halle fragte ich jemanden nach einem Blättchen. Meine waren schon aus. Und was passiert? Er machte eine Kippenpackung auf. Darin waren statt Kippen zehn Vorgedrehte und er bot mir einen an. Kiffer sind doch alle homies dachte ich damals und genoss den geschenkten Joint.

Ich war nie ein „Gamer“. Doch auf GTA Online bin ich mit meinen Kifferjungs eine zeitlang richtig hängengeblieben. Wir haben den ganzen Sonntag damit verbracht in Liberty City abzuhängen. An diesen Sonntagen habe ich oft mehr als zehn Tüten mehr oder weniger am Stück geraucht. Die ganze Zockerei war nur einen Rahmenprogramm für den sonntäglichen Kiffmarathon.

Jede Aktivität war nur „richtig“, wenn zwischendurch Zeit für einen Tüte war. Selbst als ich einmal mit dem Rad von Frankfurt nach Köln gefahren bin, zwei Tage à 120 Kilometer am Rhein entlang. Selbst auf dieser wunderbaren Tour habe ich unterwegs halt gemacht und gemütlich gekifft. Skiurlaube waren Kiffexzesse. Schon im Auto auf der Hinfahrt haben wir mehrere Tüten geraucht. Selbst im Sessellift habe ich gebastelt. Basketball im Sommer auf dem Freiplatz: klar kiffe ich zwischendurch einen. Besser gespielt habe ich dadurch sicher nicht.

Mein Leben bewegte sich von Joint zu Joint. Und ich merkte dabei überhaupt nicht, dass es sich im Kreis drehte. Ich habe mich keinen Millimeter weiterentwickelt. Unfassbar. Heute, nach drei Monate Abstinenz und intensiver Auseinandersetzung mit meinen Schwächen und Ängsten habe ich das Gefühl kein Selbstbewusstsein mehr zu haben. All diese oben beschriebenen Aktionen habe ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht erlebt – mich gut und sicher dabei gefühlt.  Ich fühlte mich stets ein bisschen erhaben. Vom „gewöhnlichen Pöbel“ abgehoben. Sollten sie doch ihr steriles Leben führen.

Jetzt fühle ich mich schwach und allein. Traurigkeit bestimmt mich. Sie nimmt mich auch körperlich ein, ich fühle mich schwach und klein. Ich versuche meinen Körper zu kräftigen. Gesund zu essen. Viel Sport zu treiben. Ich bin ein starker 30-jähriger, doch ein Mann bin ich noch nicht. Die vielen Joints habe ich mich in meiner Entwicklung behindert, soviel ist klar. Ich bin finde mich auf einem Scheideweg, möchte nicht in Melancholie versinken, sondern wieder beginnen zu leben. Jetzt einen Joint zu rauchen, würde diese Traurigkeit manifestieren. Ich bleibe clean, aber ich muss einen Weg heraus finden. Ich muss mich neu erfinden. Nur: wer will ich sein? Ich weiß es noch nicht.

 

Jeden Tag Vollrausch!

Wer je über einen längeren Zeitraum täglich gekifft hat, kennt es. So richtig high machten auch zehn Tüten am Stück nicht mehr. Nach zehn Jahren war ich in der Profiliga angekommen. Naja, Semi-Profi – denn ich habe ausschließlich Tüten geraucht. Köpfe aus der Pfeiffe waren mir irgendwie zu hart. Über meine gesamte Karriere habe wahrscheinlich nicht einmal ein Dutzend davon geblubbert. Da habe ich doch lieber ab und an einen vier Gramm Blunt gebastelt. Am liebsten mit den amerikanischen HoBo-Phillies. Kennt ihr die noch?

An einen Kopf kann ich mich noch genau erinnern. Damals in der Oberstufe. Nach der ersten Doppelstunde stand die Frage im Raum: Englisch oder Keller? Im Keller wohnte Willi (a.k.a. Wilhelm Busch). Der Keller war als Poolraum geplant, doch es wurde Willis Zimmer, Souterrain im Einfamilienhaus, eigener Zugang, schwarze Ledercouch, Toni Montana Poster, Fliesentisch, Playstation und nur ein langes Fenster durch das nicht wirklich viel Licht in den stets verqualmten Raum drang. Dort haben wir viele langweilige Grundkurse verkifft. Dort habe ich das Kiffen entdeckt.

Es war mein erster richtiger Kopf aus der Glaspfeife. Schöne Profimischung und ich wollte ihn auch richtig wegballern, so wie ich es von Willi kannte. Blubbern bis nur noch Asche zu sehen ist und dann das Kickloch öffnen und den Rest tief in die Lunge knallen. BÄM – Headshot. Ich weiß es noch genau: Erst ein übles Schwindelgefühl und dann kam der Kick. Es war erst elf Uhr vormittags und bin ich bin direkt auf dem Sessel eingepennt. Irgendwann am späten Nachmittag hat mich einer von den Jungs nach Hause gefahren, wo ich direkt wieder ins Bett bin und bis zum nächsten Tag durchgeschlafen habe, an dem Tag stan allerdings eine Physik-LK-Klausur an. 4 Stunden Klausur und danach nochmal ins Bett. So fertig war ich vom Kiffen seither nie wieder. Die Klausur hatte ich grad so bestanden. Aber Köpfe waren nix für mich.

Zehn Jahre später wurde ich überhaupt nicht mehr breit von dem Kraut. Ich habe überall und jederzeit gekifft. „Erstmal einen basteln“, egal was ich/wir gemacht – es wurde vorher erstmal ein kleiner Jizzl geraucht. Vor dem Kino, in der Menge auf Konzerten, in der Gondel beim Skifahren, auf dem Beifahrersitz auf Reisen, in der S-Bahn, auf dem Miniklo in der Sauna – ich glaube ich habe überall schon gedreht. Richtig stoned wurde ich gar nicht mehr. Meine Körperfunktionen hatte ich jederzeit im Griff. Hochdosierung nennt sich das wohl. Ein harter Alkoholiker zeigt schließlich bei zwei Promille auch keine wirklichen Ausfallserscheinungen. Vollrausch sollte Vollrausch bleiben. Doch aus Rausch wurde Normalzustand. Eine Wirkung gab es noch, ein wohliges Gefühl, dass ich ständig wollte und irgendwann brauchte, um mich normal zu fühlen. Aus der Droge wurde die Sucht. Eine merkwürdige Verwandlung.

Obelix wurde ich zwischendurch genannt. Der, der in der Hanfplantage aufwuchs und einfach nicht mehr breit wurde.

Jetzt bin ich zehn Wochen clean. Es fühlt sich nach Abschied an. Ich hänge es noch immer nicht an die große Glocke, aber mein engerer Freundeskreis weiß Bescheid und das Verlangen nach Gras ist wirklich gering. Ich hänge abends manchmal durch, aber es zuckt auch dann nicht in den Fingern. Das ist gut so. Mein Ziel ist 1 Jahr kein Joint. Danach ziehe ich Bilanz und mache mir ein neues Ziel. Also. Weiter geht’s.

Argumente fürs Kiffen: Notwendigkeit

Es ist erschreckend zu bemerken, wie sich meine Argumention verdreht.

Notwendigkeit, dass war lange Zeit für mich ein Argument nicht mit dem Kiffen aufzuhören. Ich hab mein Leben doch im Griff. Schule irgendwann mit Abitur abgeschlossen. Zivildienst geleistet. Danach in Regelzeit das Studium durchgezogen (pun intended), mit sehr guter Abschlussnote. Danach hab ich einen Job in einer fremden Stadt angenommen und fünf Jahre hart gekifft und semi-hart gearbeitet. Läuft doch Alles, hab ich mir gedacht.

Die Kifferei schränkt mich nicht ein. Ich pflege soziale Kontakte und vor allem: Ich erkenne stets die Notwendigkeit. Die Notwendigkeit wichtige Termine einzuhatlen, für Prüfungen zu lernen und sie zu bestehen, Deadlines einzuhalten, Soziale Kontakte ab und an zu pflegen und natürlich genug Geld zu verdienen, dass die 150 bis 250 Euro für Gras jeden Monat kein Problem darstellen.

Mein engster Kiff-Kumpane, nennen wir ihn hier und in Zukunft einfach Friedrich Schiller, also Friedl, wir habe diese Notwendigkeit stets als unsere Stärke bezeichnet: „Guck se dir doch an, all die Lappen mit ihren 0815-Leben, die morgens nicht aus dem Bett kommen. Und wir kiffen uns die Hirse weg und morgens geht es ab in den Job und dann wird in die Tasten gehackt.“ Ja – Recht hatte er damit, aber besser als all die Normalos hat uns das sicher nicht gemacht. Ich kenne auch Bekannte aus meiner Schul- und Uni-Laufbahn, die diese Notwendigkeit einfach nie erkannt hatten. Prüfungen „verschlafen“, oder lange geplante Verabredungen mit fadenscheinigen Ausreden kurzfristig per SMS absagten. Das Abi vergeigten und so weiter. Menschen sind unterschiedlich gestrickt, ob Kiffer oder Nicht – dem Einen fällt es leicht auch unangenehme Dinge anzugehen, dem Anderen eben nicht.

Heute hat sich meine Argumentation völlig verdreht. Ich bin jetzt rund zehn Wochen sauber und heute frage ich mich, warum ich denn nie mehr als das Notwendigste erledigt hab. Ich hatte in den letzten zehn Jahre auch nie den Anspruch mehr zu tun, als eben das Notwendigste. Hautsache es läuft! Dabei will ich eigentlich mehr. Und momentan fällt mir genau das schwer. Ich fühle mich noch immer gerädert, ich komme morgens erstaunlich schwer aus dem Bett. Aber ich will mich nicht in Ausflüchte retten. Ich sehe es als neues Ziel. Konzentration auf eine Sache und dann Alles geben. Das ist leicht gesagt und wir werden sehen, wie konsequent und erfolgreich ich dieses Ziel verfolgen werde.

Erkenntnis ist der erste Schritt und so. Es ist wirklich erschreckend, dass sich meine Realität in so kurzer Zeit so extrem verschoben hat. Ich bin lange nicht suchtfrei, werde ich wohl nie sein, aber es scheint als verschiebe sich meine Welt. Das Leben ist kurz und ich hab noch ein paar Sachen vor. Jeden Tag zu kiffen hält auf. Das habe ich lange Zeit nicht erkannt. Auf geht’s. Mund abwischen und weitermachen.

Kippen und Bier.

„Lecker Rooche“. Ich hab immer gerne geraucht. Als wir als Kids mit 14 oder so den Alkohol endeckten kamen auch schnell die Kippen dazu. Es wohl dieses Gruppending, dass mich dazu gebracht hat. Und es war irgendwie cool. Alle „coolen“ Leute haben geraucht. In den 90ern war es ja noch Allgegenwärtig. In Kneipen, im Zug und sogar im Flieger wurde schön abgedampft. So bis 19 habe ich durchgeraucht, dann zwei Jahre Abstinent gelebt und dann viele Jahre ausschliesslich Tüten gepafft. Das fand ich irgendwie logisch. Vielleicht mal ein paar geschnorrte Kippen auf Parties, wo kiffen kein Thema war. Jetzt, wo ich entschieden habe kein Gras mehr zu rauchen und die Dumpfheit zu überwinden, rauche ich wie Helmut Schmidt. Ekelhaft. Ich treibe Sport und ernähre mich halbwegs ausgewogen, aber diese Schmacht scheint momentan unüberwindbar.

Nachts, wenn ich mal wieder von einem Traum geweckt werde, stehe ich auf und rauche ne Zigarette im dunklen Wohnzimmer. Auf dem Weg zum Training rauche ich noch einen auf dem Fahrrad. Morgens eine beim kacken und abends noch eine nachdem Zähne putzen. Was soll das? Momentan habe ich noch die Ausrede, dass die Kiffbaustelle erstmal oberste Priorität hat und das ich mich die Kippen-Problematik kümmere, wenn ich mich ein bisschen stabiler fühle. Nicht vergessen, Franzl – Kippen sind ekelig.

Seitdem ich nicht mehr jeden Tag high bin, setze ich mich auch mit dem Trinken auseinander. Das kam ganz von selbst nach einem harten Saufabend. Der Anlass dazu war ein positives Erfolgserlebnis im Sport. Nach sehr guter Leistung wurde ich von der Mannschaft gefeiert und wir sind ein bisschen ausgerastet. Ist ja auch nix dabei. Trotzdem habe ich mich am nächsten Tag gefragt, ob das denn sein muss? Gestern lief es ähnlich. Exzess ist das Stichwort. Schon beim Kiffen habe ich es gerne und absichtlich übertrieben. Ich muss auch das im Auge behalten.

Ich trinke nur selten allein und habe es von Beginn meiner Kiff-Abstinenz bewusst vermieden das abendliche High durch ein, zwei Bier zu ersetzen. Ich habe es jetzt schon ein paar Mal geschrieben. Es geht bei uns Süchtlingen wohl häufig nicht um das Gras selbst, sodern um diese Suchtmechanik. Jeder Kopf ist anders, und Obacht das erste Gebot.

Sucht ist Schwäche und ich möchte stark werden. Stärker als jede Substanz.

Kleine Schritte. Große Schritte. Eine Sache der Perspektive.

Kurzer Zwischenbericht. Momentan hänge ich ein bisschen durch und mir fehlt ein bisschen die Motivation. Stagnation. Beruflich plätschert es so daher und privat ziehe ich mich momentan ein bisschen zurück. Etwas mehr als acht Wochen bin ich nun clean. Es fällt mir schwer stolz auf mich zu sein. Für mich ist das noch keine Leistung und ich würde die Zeit gerne ein Jahr nach vorne drehen. Die Fortschritte fühlen sich klein an.

Gestern Abend war ich sehr down, doch heute morgen hat mich ein Termin bei meiner Suchthilfe-Beraterin ein bisschen aufgepeppelt. Ich nehme die kostenlose Hilfe der örtlichen Diakonie in Anspruch und das kann ich allen Leidensgenossen nur empfehlen. Es war bereits der fünfte Termin, jedoch erst der zweite seitdem ich wirklich den Entschluß gefasst habe aufzuhören. Für meine Beraterin sind die Schritte größer als für mich und dieses Feedback tut gut.

Ich arbeite daran die Baustellen zu enttarnen, an denen ich in Zukunft arbeiten muss. Das ist zum Teil wirklich schmerzhaft. Konzentration ist ein Thema: ich wollte es nie wahrhaben, aber meine Leistungsfähigkeit ist durch den langjährigen Konsum eingeschränkt. Ich habe schlicht nicht die Kraft acht Stunden am Stück konzentriert zu arbeiten. Selbstbewusstsein ist auch ein Thema. Ich bin groß, sportlich und relativ redegewandt – dennoch plagen mich Zweifel. Ich wünsche mir eine Partnerschaft. Doch ich merke, dass ich für eine gesunde Beziehung nicht fit und nicht leistungsfähig genug bin. Was kann ich momentan schon bieten? Wenn ich das so schreibe, sage ich zu mir selbst: sei nicht so eine traurige Heulboje. Aber so ist es momentan und ich muss abwarten und weiter arbeiten, verarbeiten und Perspektive schaffen. Kleine Schritte machen. Weiter clean bleiben.

Ich verarbeite eine Sucht und das auch wenn sie mich nicht runiert hat, ich körperlich gesund bin und mein Kopf noch „halbwegs“ funktioniert, darf ich den Ernst der Lage nicht vergessen. Es waren zehn Jahre, in denen ich mich selbst belogen habe. Eine unbequeme Wahrheit.

High and Low.

Gestern hatte ich einen Moment, den ich für wichtig halte. Die Nacht war kacke und ich hatte morges gleich einen unangenehmen Zahnarzttermin. Danch war ich ein bisschen dizzy von der Betäubung und wollte eigentlich nur noch ins Bett und mich unter der Decke verkriechen. Nicht weil die Sache beim Zahnarzt so schlimm war, sondern weil ich mich einfach beschissen fühlte. Das passiert häufiger. Ich möchte an der Stelle nicht von Depression sprechen, eher Melancholie. „Das Leben ist doof, ich schaffe das alles nicht, warum nur!?“ Ich bin sicher, mit diesen Gedanken bin ich nicht allein. Noch auf dem Stuhl beim Doc hab ich dran gedacht ins „Türkische Coffee Café“ zu fahren, mir einen Zwacki zu holen und einfach einen dicken J zu basteln, um…

Und genau hier kam der wichtige Gedanke. Ja, warum eigentlich? Um diese Traurigkeit zu manifestieren und gleichzeitig auszublenden. Das habe ich immer so gemacht in diesen Situationen. Dieses High und Low. Klar, die Dichtheit verdrängt die Klarheit der Traurigkeit und die Gedanken sind nicht mehr so erdrückend, aber warum sollte ich es dann tun. Ein bisschen Ruhe, oder frische Luft und die Auseinandersetzung damit sind die viel bessere Lösung. Nachmittags hatte ich einen beruflichen Termin, der Positivität zurück gebracht hat. Daraus könnte sich was entwickeln. Wir werden sehen.

Ich fühle mich momentan sehr oft so verdammt kraftlos. Aber das bin ich gar nicht. Es fühlt sich nur so an. Und Dichtheit hilft kein Stück. Es lindert, aber das auch nur kurzzeitig und ist definitiv die falsche Lösung. Gerade in diesem Moment läuft ein Song im Radio: Gotye mit Somebody that i used to know. Und darin die wirklich bezeichnende und wahre Zeite:

„You can get addicted to a certain kind of sadness!“

Sucht. Es wird für mich immer deutlicher: Es geht gar nicht um die Droge selbst, es geht um diese Traurigkeit. Vielleicht geht es nur mir so, aber ich denke, dass gerade Jungs um die 30 die Sinnlosigkeit des Alltags verwirrt. Ich möchte eine Familie, aber doch jetzt nicht. Ich baue noch kein Haus. Ich finde doch gerade erst meinen Platz auf dieser Welt. Klar habe ich durch die Kifferei viel verpasst, aber dennoch habe ich mein Umfeld beobachtet und nur die wenigsten Gleichaltrigen sind gefestigte Erwachsene.

Kein J gegen die Traurigkeit. Ich bin nichtmal bei 8 Wochen Abstinenz und diese Stimmungsschwankungen werden mich wohl noch einige Zeit begleiten, aber das ist okay. Ich habe was zu tun und ich bin gesund. Alles wird gut.

Fühlt Euch gedrückt, Franzl.

Verlockungen.

Ich pflege Freundschaften. Aus meiner Studienzeit sind fünf Jungs übriggeblieben, mit denen ich in ernstem Kontakt stehe. Eine gemischte Runde. 2 Kiffer, 2 Abstinezler (keine Drogen, keine Kippen, kein Alk) und ein Säufer. Wir leben nicht mehr alle im gleichen Bundesland und sehen uns mitlerweile nur noch etwa dreimal pro Jahr. Wir haben alle eigenständige Freundeskreise, aber wir alle freuen uns auf diese Abende. Diesmal war ich der Gastgeber. Ich brauche in der Runde nichts zu verstecken und ich hätte die Jungs easy bitten können kein Dope mitzubringen, aber ich fühlte mich reif dafür auch in der Runde nicht kiffen zu wollen. Und es war eine richtige Einschätzung.

Ich war der härteste Kiffer in dieser Runde und bei den Treffen bin ich immer gerne ein bisschen ausgerastet. 15, 20 Joints. Macht doch Spaß. Oh Mann, diese sinnlose Verschwendung. Wir pennen auch immer alle dort, wo wir uns treffen und ich habe immer nachts den letzten und morgens den ersten gedreht. In den Runden hat es mir auch am meisten Spaß gemacht. Ich habe keine ahnung, aber diese Maßlosigkeit hatte seinen ganz eigenen Reiz auf mich.

Diesmal also ohne Kiffispliffi. Es war sehr leicht. Die Jungs haben auch höchsten fünf Tüten geraucht und sind auf den Balkon. Aus Respekt und ich wollte auch nicht ein bisschen passiv high werden. Als die Jungs am nächsten Tag mittags weg waren habe ich beim Aufräumen einen halben Joint gefunden, der übrig geblieben ist. Das war keine Böswilligkeit und es war okay, denn ich habe nichtmal kurz überlegt, ob ich ihn anzünde, mich zurücklehne und mich dem bekannten warmen Gefühl hingebe. Ich hab ihn einfach entsorgt und das Thema war durch.

Ich bin froh diese Entscheidung nun wirklich getroffen zu haben. Aber es sind lediglich sieben Wochen und erst 2020 macht es Sinn davon zu reden, ob ich frei von der Sucht bin. Aber es ist ein Anfang. Vielleicht kann ich irgendwann wieder mal einen Joint rauche, ohne gleich abzudriften und durchzudrehen. Also durchgehend zu drehen. Ich habe diese Maßlosigkeit geliebt und gefeiert. Heute kommt sie mir sehr merkwürdig vor. 

Ich bin nicht alleine mit diesem Ritus und ich kann nur Jeden raten: denkt darüber nach. Gras ist Gras und kein Teufelszeug, aber wenn ihr in diese Maßlosigkeit geratet macht es einfach keinen Sinn.

Schwitzige Nächte und Träume.

Von Entzug zu sprechen ist wahrscheich medizinisch nicht korrekt. Dennoch ist es für viele nicht wirklich easy, vom täglichen kiffen zum täglichen Nichtkiffen zu wechseln. Besonders Nachts sorgt das Eichhörchen für deutliche Entzugserscheinungen. Warum eigentlich Eichhörnchen? Beim Heroin spricht man vom Affen, der einen fertigmacht, sobald man die Droge absetzt. Der Affe ist ein harter BEgleiter, der jedem Heroinabhängigen das Leben zur Hölle macht. Wir Kiff-Abstinezler haben eeben ein kleines Eichhörchen, dass uns animiert doch mal wieder schön einen durchzuziehen.

Kiffer Träumen nicht. Das ist wohl das deutlichste Zeichen, dass es sich auch bei Gras um eine Droge handelt. Auch wenn ich nach zehn Jahren täglichem Konsums eigentlich gar nicht mehr richtig stoned geworden bin, bin ich morgens nur sehr selten mit der Erinnerung an einen Traum aufgewacht. Und das ist ja auch logisch. Viele von uns rauchen den letzten J des Tages sogar im Bett. Was soll das Gehirn dann auch noch machen außer wegzudösen. Ich habe immer geglaubt, dass ich gut und erholsam schlafe. Das war wohl ein Irrglaube. Denn gerade fühle ich mich unfassbar schlapp und schlafe oft nach der Arbeit nochmal ne Stunde auf der Couch.

Es begann bei mir bereits nach drei oder vier Tagen, dass ich nachts intensiv träumte. Und ich schwitzte immerweiter. Teilweise bin ich nachts dreimal mitten aus dem Träumen aufgewacht. Dann habe ich meist das Shirt gewechselt, oft auch ne Kippe gerauch, um dann wieder einzuschlafen und drei Stunden später wieder verschwitzt aus dem nächsten Traum zu erwachen. Inhaltlich ist alles dabei: Liebe, Hass, Wut, Angst und Hoffnung. Ich bin kein Phsychologe, aber mir ist schon relativ klar, was mein Gehirn da veranstaltet. Träumen ist eine Mechanik der Selle Gedanken und Erfahrungen zu sortieren und zu reflektieren. All die Nächte werden jetzt nachgeholt. Heute, nach fünf Wochen ohne das Kraut, war es wieder sehr extrem. Zweimal bin ich aufgewacht und habe kurz darüber nachgedacht, was mein Gehirn da wieder für abstruse Szenarien gesponnen hat. Kurzer Plot: Ich musste mich, gefangen in einem Wasserlabyrinth, gegen eine Gruppe Angreifer erwähren, die das Labyrinth übernehemn wollten. Sie suchten mich mit der Absicht mich zu töten und ich suchte einen Ausweg. Sehr merkwürdig. Ich denke das wichtigste ist es, diese absurden Szenarien nicht überzubewerten.

Ich versuche seite ein paar Wochen extrafrüh ins Bett zu gehen, aber ich ich hab trotzdem kaum Power für nen halben Tag. Ich bin gespannt, wie lange das noch anhält. Ich weiß nur eins, jetzt wieder zu kiffen wäre unfassbar dumm. Ich will wieder fit werden, körperlich und emotional. Der Körper ist ein Wunderwerk und selbst bei intensiven Konsum harter Drogen über einen langen Zeitraum ist der Körper in der Lage sich zu regenerieren. Wie lange diese Phase dauert weiß ich noch nicht und ich denke das ist von Gehirn zu Gehirn sehr unterschiedlich. In Foren habe ich verschiedene Aussagen gefunden. Von drei Wochen bis hin zu sechs Monaten.

Das Schwitzen könnte man noch am ehesten als Entzugs-Erscheinung sehen. Aber ich denke, dass es sich dabei auch um eine Reaktion auf die Situation im Traum handelt. Was soll es auch: Schwitzen ist gesund.

Ich sehe die ganze Sache mitlerweile sportlich und ich hoffe ich kann wenigstens einen Leidensgenossen dazu bringen es mir nachzutun. Ich verteufele das Kiffen auf keinen Fall, aber ich kann nur jedem raten sich mit seinem Umgang auseinanderzusetzen. Ruasch ist nicht böse: Aber wer jeden Tag den Rausch sucht sollte darüber nachdenken, warum er das tut. Therapeuten und Leute, die selbst nie eine Substanz missbraucht haben, sprechen gerne von Flucht. Vielleicht korrekt, aber ich denke so einfach ist das nicht. Ich habe immer gerne ein Beispiel benutzt: Was ist denn mit den Menschen, die sich Tag für Tag in Ihre Keller verziehen, um mit Ihrer Modelleisenbahn zu spielen? Es gibt viele Menschen, die ein Hobby sehr extrem ausüben. Für mich ist das die gleiche Mechanik. Es geht um Vertrautheit und die aktive „Verschwendung“ von Zeit.

Träumt Leute, träumt shit und nehmt die Herausforderung an.

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