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Realisation.

Gestern beim Laufen hatte ich einen Moment. Ich habs echt geschafft. Auch dank Euch. 1 Million mal hab ich mir vorgenommen die Kifferei dranzugeben. Nie hat es geklappt.

Und jetzt bin ich sechs Monate clean. Stark. Ich bin freier, entspannter, besser. Einem tiefen Low folgte ein sehr entspanntes High. Ich bin gut drauf. Ich hoffe Euch da draußen geht es auch gut. Und falls nicht: Wartet ab. Es wird besser.

Fette Grüße nach, besonders nach Japan. Nach Österreich und in die Schweiz. Nach Kroatien, Kanada, Frankreich. Ihr alle habt mir geholfen. Lasst die Sonne rein. Ich drück Euch.

Gemeinsamkeiten. Glück. Und Shit.

Fuck, heute habe ich mal wieder einen gemischten Tag. Ich hab mich extra in Schale geworfen heute: neue Schuhe helfen mir ungemein mich wohler zu fühlen. Trotzdem hatte ich heute Mittag einen üblen Durchhänger und musste mal zwanzig Minuten die Augen zu machen. So langsam schlafe ich besser, aber meist montags mittags überfällt mich regelmäßig eine nervende Schlaffheit. Ich fühle mich dann körperlich ausgezerrt, zittere leicht und mache mir große Sorgen um meine Konstitution. An Konzentration ist nicht zu denken. Nach einer Stunde und einem ekligen Mittagessen ging es dann wieder.

Jetzt ist es vier und ich habe meine Pflicht-ToDos für heute abgehakt. Die Bonus-ToDos auf meiner Liste verschiebe ich mal getrost auf wannauchimmer. Grund für diesen Eintrag ist ein Bericht, den ich heute mittag während meiner Mattheit gelesen habe. Es war ein Forum-Thread eines promovierten Wissenschaftlers, der mit 45 Jahren seine Kiff-Sucht erkannt hat und vier Monate Tagebuch über seinen Entzug geschrieben hat. Erst mit 45 Jahren hat er entdeckt, dass er wirklich süchtig ist. Er beschreibt in seinen Beiträgen, wie er den Kampf angenommen hat und man erkennt über einen Zeitraum von vier Monaten genau, wie sich seine Einstellung verändert. Er entfernt sich immer mehr von dem Glauben an eine harmlose Gewohnheit hin zu einer Überzeugung, dass Cannabis Auslöser vieler verdrängter Probleme ist. Sehr spannend. Wer sich dafür interessiert, kann die Texte hier nachlesen. Der Thread endet abrupt im Januar 2010. Simon, ich hoffe es geht Dir gut und Du bist stark geblieben. Falls Du zufällig auf diesen Blog stößt, melde Dich mal kurz. Gerade in dieser Geschichte habe ich viele Parallelen zu meiner eigenen entdeckt. Erst nach mehr als drei Monaten entdeckt er seine Traurigkeit, so ging es mir auch. Leider endet die Geschichte auch zu dieser Zeit. Naja, ich schreibe nun meine auf und hoffe weiterhin Menschen zu inspirieren sich mit Ihrer Sucht auseinanderzusetzen. Mir hilft es ungemein von Erfahrungen zu lesen und meine eigenen aufzuschreiben.

Ich habe mittlerweile viele dieser Forenbeiträge gelesen und bin immer wieder erstaunt über die Gemeinsamkeiten, die uns Abstinenzler verbinden.

1. Schlafen und Träume

Es beginnt mit Schlafstörungen, die mal nach einer Woche vorbei sind oder sich auch mal Monate lang ziehen. Einschlafen ist bei den meisten schnell kein Problem mehr. Durchschlafen können wohl nur die wenigsten in dieser Phase. Ich habe ja bereits beschrieben, dass ich oft nachts aufgestanden bin, um im Wohnzimmer eine Kippe zu rauchen. Und das oft mehrfach. Das mache ich übrigens noch immer, aber meist nur noch einmal pro Nacht.

In dieser Zeit kommen dann auch die Träume wieder und mit Ihnen die Auseinandersetzung mit der eigenen Gedankenwelt. Wirre Träume, Albträume und Träume in denen die Abstinenz gebrochen wird wechseln sich ab. Diese Phase geht zu Ende, wann scheint individuell verschieden.

2. Traurigkeit und die Frage nach der eigenen Identität

Ist die erste Phase überwunden, kommt oft die Frage nach der eigenen Identität und Reue. Ich frage mich seit Wochen, warum ich so lange am Gras festgehalten habe. Ich habe viele schöne Erinnerungen aus dieser Zeit, aber die hätte ich natürlich auch, wenn ich nicht dauerstoned durch die Welt gelaufen wäre. Das Gefühl, so viel verpasst zu haben und mich nicht wirklich weiterentwickelt zu haben wurde immer stärker. All das führte zu einer tiefen Traurigkeit. Selbstmitleid hat mich oft geplagt. Ich armer Franzl. Warum habe ich es so schwer?

3. Wendung der eigenen Argumentation

Einhergehend mit der Reflexion des Selbst kommt meist auch ein Turnaround in der Argumentation. Der Glaube an die Harmlosigkeit von Gras schwindet und weicht der Erkenntnis, dass der langjährige Konsum doch Spuren hinterlassen hat. Ich bin immernoch der Meinung, dass Cannabis eine eher weiche Droge ist, aber ich rate jedem zur Vorsicht. Sucht ist übel und es ist ein langer und harter Prozess sich davon zu lösen. Es gibt sie, die Genuss-Kiffer. Aber auf jeden verantwortungsbewussten Kiffer kommen sicher 10 Süchtlinge, wie ich es bin.

Wie oft ich schon gesagt habe: Morgen ist Schluss und trotzdem habe ich mir tags drauf ein neues Paket Verdrängungskraut besorgt und den Verzicht auf wannauchimmer verschoben. Es geht mir noch schwer über die Tasten, aber ich glaube: nur komplette Abstinenz funktioniert für mich. Fuck. Werde ich nie wieder kiffen? So soll es sein!

4. Erkenntnis

Wie gesagt, ich habe mittlerweile viele Geschichte gelesen. Darunter Kids, die sich schon mit 15 alle Perspektiven verkifft haben. Sich den Schulabschluss verbaut haben, die erste Liebe verpassten und mit Anfang 20 sehr verzweifelt den Ausstieg versuchen. Viele Geschichten sind darunter gewesen, die sehr meiner eigenen gleichen. Jungs oder Mädels, die relativ spät anfingen und nach jahrelangem Konsum plötzlich merken, dass sie süchtig sind, Probleme haben und irgendwie traurig sind. Oder eben Erwachsene, die nach mehr als 20 Jahren die Erkenntnis überfällt, dass ihr Leben so irgendwie nicht funktioniert. Eins verbindet uns alle: eben diese Erkenntnis, dass wir ein bisschen aus der Spur geraten sind. Dabei spielen Alter, Geschlecht und Erfolg offenbar keine Rolle.

5. ? 

Ich weiß nicht, was jetzt noch kommt. Ich bin froh, nicht stolz, dass ich soweit gekommen bin und werde weitermachen.

Life is a bitch. Wir alle haben Tagträume und Erwartungen an unser eigenes Dasein, die meist nicht erfüllbar sind. Heute finde ich das okay. Ich bin bescheidener und realistischer geworden. Träume sind schön, aber die Erkenntnis, dass das Leben eben auch mal Scheiße ist darf uns nicht betrüben. Meine Reise durch Asien hat mir sehr die Augen geöffnet. Ich habe viele Vorteile genossen, allein dadurch, dass ich in Deutschland aufgewachsen sind. Viele Probleme, die viele Menschen auf der Welt jeden Tag erleben, habe ich nie kennenlernen müssen.

Auf der anderen Seite steht folgender Satz: Jemandem zu sagen, dass er nicht traurig sein soll, weil es viele Menschen auf der Welt schlechter haben ist genauso, als würde man argumentieren: du kannst auch nicht Glücklich sein, weil es viele Menschen besser haben.

Probleme und Traurigkeit sind real, egal welche Ausprägung sie haben. Meine Traurigkeit ist real. Ich kann sie nicht einfach abschalten. Trotzdem ist sie nicht unheilbar. Ich nehme mir viele Dinge vor. Einige Punkte auf dieser ToDo-Liste werde ich irgendwann abhaken können. Andere nicht. Shice drauf. Dann soll es eben nicht sein. Ich muss weiter nach meinem persönlichen Glück suchen.

An dieser Stelle mal was persönliches: Ich wünsche Euch allen von Herzen alles Gute. Kämpft Euren Kampf. Ich hoffe ihr findet, wonach ihr sucht. Ohne Sucht. Findet Glück und friede mit Euch selbst. Und Danke. Danke für Euer Feedback. Danke, dass ihr Eure Gedanken mit mir teilt. Danke.

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