Franzl, der Kiffer!
Wer bin ich eigentlich? Ich hatte immer ein klares Selbstverständnis. Als Kiffer war ich offen, hatte keine Schwierigkeit mit großen Gruppen. Habe ungehemmt fremde Leute angesprochen und stand oft im Mittelpunkt der Gruppe. Die letzten zehn Jahre war ich überall einfach der Kiffer. Der lustige Typ, der immer eine Idee im Kopf hat und halt zu jeder Gelegenheit seinen Utensilienbeutel rausholt und einen dreht.
Es gab wirklich keine Aktivität, die ohne Kiffen auskam. Vor dem Kino wurde selbstverständlich einer geraucht. Selbst im Kino habe ich schon gekifft. Auf Konzerten habe ich immer gekifft. Mitten in der Menge: wen stört das schon. Wer freundlich guckte, mit dem teilte ich den J auch immer gern. Ich kann mich an ein Fanta 4 Konzert erinnern. Vor der Halle in Halle fragte ich jemanden nach einem Blättchen. Meine waren schon aus. Und was passiert? Er machte eine Kippenpackung auf. Darin waren statt Kippen zehn Vorgedrehte und er bot mir einen an. Kiffer sind doch alle homies dachte ich damals und genoss den geschenkten Joint.
Ich war nie ein „Gamer“. Doch auf GTA Online bin ich mit meinen Kifferjungs eine zeitlang richtig hängengeblieben. Wir haben den ganzen Sonntag damit verbracht in Liberty City abzuhängen. An diesen Sonntagen habe ich oft mehr als zehn Tüten mehr oder weniger am Stück geraucht. Die ganze Zockerei war nur einen Rahmenprogramm für den sonntäglichen Kiffmarathon.
Jede Aktivität war nur „richtig“, wenn zwischendurch Zeit für einen Tüte war. Selbst als ich einmal mit dem Rad von Frankfurt nach Köln gefahren bin, zwei Tage à 120 Kilometer am Rhein entlang. Selbst auf dieser wunderbaren Tour habe ich unterwegs halt gemacht und gemütlich gekifft. Skiurlaube waren Kiffexzesse. Schon im Auto auf der Hinfahrt haben wir mehrere Tüten geraucht. Selbst im Sessellift habe ich gebastelt. Basketball im Sommer auf dem Freiplatz: klar kiffe ich zwischendurch einen. Besser gespielt habe ich dadurch sicher nicht.
Mein Leben bewegte sich von Joint zu Joint. Und ich merkte dabei überhaupt nicht, dass es sich im Kreis drehte. Ich habe mich keinen Millimeter weiterentwickelt. Unfassbar. Heute, nach drei Monate Abstinenz und intensiver Auseinandersetzung mit meinen Schwächen und Ängsten habe ich das Gefühl kein Selbstbewusstsein mehr zu haben. All diese oben beschriebenen Aktionen habe ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht erlebt – mich gut und sicher dabei gefühlt. Ich fühlte mich stets ein bisschen erhaben. Vom „gewöhnlichen Pöbel“ abgehoben. Sollten sie doch ihr steriles Leben führen.
Jetzt fühle ich mich schwach und allein. Traurigkeit bestimmt mich. Sie nimmt mich auch körperlich ein, ich fühle mich schwach und klein. Ich versuche meinen Körper zu kräftigen. Gesund zu essen. Viel Sport zu treiben. Ich bin ein starker 30-jähriger, doch ein Mann bin ich noch nicht. Die vielen Joints habe ich mich in meiner Entwicklung behindert, soviel ist klar. Ich bin finde mich auf einem Scheideweg, möchte nicht in Melancholie versinken, sondern wieder beginnen zu leben. Jetzt einen Joint zu rauchen, würde diese Traurigkeit manifestieren. Ich bleibe clean, aber ich muss einen Weg heraus finden. Ich muss mich neu erfinden. Nur: wer will ich sein? Ich weiß es noch nicht.