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Ein Abschiedsbrief.

Im Zuge der meiner Suchtberatung wurde ich gebeten einen Abschiedsbrief zu verfassen. Ich finde das eigentlich ein bisschen sehr theatralisch, dennoch möchte ich meine Version mit Euch teilen:

Liebe Mary Jane,

zehn Jahre waren wir ein Paar. Unzertrennlich wie Bonny und Clyde. Ich war der gute Junge mit den ehrlichsten Intentionen, war verliebt und grünäugig. Du warst meine Gaunerbraut. Eine kleine Rebellin, die meinem Leben ein bisschen Aufregung versprochen hat, ein bisschen Verruchtheit. Dein Geruch nach Hinterhof und hat mich fasziniert. Ich bin bürgerlich aufgewachsen, doch mit Dir an meiner Seite war ich plötzlich auch ein bisschen Ghetto. Ich mochte das sehr. Wir waren die zwei Geflippten und schwammen gemeinsam die Strömung. Wir haben Parties aufgemischt, Rentner verwirrt, Unruhe gestiftet und Regeln gebrochen. Ich habe die verstörten Blicke der Leute geliebt, wenn du inmitten der Meute auf Konzerten an meinen Lippen hingst und wir uns gemeinsam der Musik hingegeben haben. Für uns war das Alles ganz lockere Action, doch für die waren das gleich Skandale. Ohne mich warst Du eine stinknormale Blume und ohne Dich war ich nur einer dieser Spießer.

Meine „wilden Jahre“ habe ich mit Dir geteilt. Sicher werde ich meinen Enkeln irgendwann von Dir erzählen. Von den vielen Nächten, die wir uns um die Ohren geschlagen haben. Von den Geschichten, die wir erlebt haben. Es war, wie ein ewiger Rausch. Ich hab Dich verehrt und gegen jede Argumentation verteidigt. Mama mochte Dich nicht. Im Berufsleben habe ich unserer Beziehung sogar geleugnet. Es war eine wilde Zeit mit Dir und ich kann nicht beurteilen, wo ich ohne die Jahre mit Dir heute stünde. Erfolgreicher? Erwachsener? Glücklicher? Fuck it! Ich habe Dich verlassen. Ich bin Dir nicht dankbar und erwarte ebenso keinen Dank von Dir. Ich werde Dich nie vergessen, aber ich werde keine Träne vergießen, weil Du nicht mehr da bist. Wir sehen uns in der Hölle, Du Miststück. Ich bereue unsere Liaison nicht, aber sie war zu lang. Vielleicht hätte es als Fernbeziehung funktioniert. Als aber es ging bergab, als Du bei mir eingezogen bist. Jeden Tag konnte ich Dich einfach nicht ertragen. Ein intensiver Tanz alle paar Wochen – das hätte eine Lösung sein können. Die tägliche Dosis Mary, jeden Abend gemeinsam auf der Couch hocken und nix tun – das war unser Ende. Aus der wilden Tanzerei wurde in kürzester Zeit eine ermüdende Choreografie der Langeweile.

Wir hätten viel früher auseinander gehen sollen. Die letzten Jahre waren ein ewiger Krieg. Ich wollte weiterziehen, mich entwickeln und langsam erwachsen werden. Du wolltest immer nur tanzen, Spaß war alles was dich interessierte. Dabei waren unsere Tänze schon lange kein wilder Ritt mehr – eher eine Schlittenfahrt im späten März: matschig und stotternd. Veränderung hast du abgeblockt. Probleme waren Dir zuwider. Anstatt sie zu lösen haben wir uns verkrochen, sind den ganzen Sonntag im Bett geblieben und haben getan, was wir immer taten. Und wenn es brenzlig wurde haben wir den Kopf in den Sand gesteckt und abgewartet bis der Sturm vorbeigezogen war. Ich hätte früher gehen sollen, aber die gemeinsamen Stunden unter dem Bettlaken haben mich auch getröstet. Ich bin einfach nicht davon losgekommen.

Jetzt ist es also soweit. Ich gehe. Endgültig. Wir hatten unsere On/Off-Phase – aber auch das ist nun vorbei. Sieben Monate haben wir uns nicht mehr berührt. Ab und zu habe ich Dich mit Freunden tanzen sehen. Ich empfinde keine Eifersucht dabei. Es ist ihr Leben und vielleicht können Sie einfach besser mit Deiner Art zu leben umgehen. Es ist mir egal, ob sie das Bett mit Dir teilen, oder den Sonntagsblues. Ich will das nicht mehr. Und ich brauche es auch nicht mehr. Der Abschied war hart. Schlaflose Nächte und Albträume haben mich viele Wochen verfolgt, aber auch diese Zeit ging vorbei. Ich habe andere Mädchen getroffen und sogar einige Frauen. Ich war so fixiert auf Dich, dass ich gar nicht mehr wusste, was mir entgeht. Es geht mir gut und ich bin weitergezogen.

Mach’s gut. Du hast genug Freunde und wirst nicht lange alleine bleiben. Unsere Geschichten werde ich bestimmt noch häufiger erzählen, nur erleben möchte ich sie nicht mehr. Es ist bizarr: ich blicke mit Freude auf unsere gemeinsame Zeit zurück. Viele schöne kleine Erinnerungen verbinde ich mit Dir. Und dennoch verfluche ich Dich. Du hast meine Schwäche ausgenutzt und mich gefickt, im wahrsten Sinne. Obwohl ich wusste, dass unsere Verbindung zwecklos ist, habe ich daran festgehalten und bin immer wieder bei Dir gelandet. Thanks a lot, but now: go fuck yourself.

In Liebe und ewiger Verachtung,
Dein Franzl.

 

Gras kaufen: Legal, Illegal, Scheißegal.

Gerade wird wieder heftig diskutiert: Soll die Abgabe von Cannabis legalisiert werden? Ich war immer dafür. Heute bin ich unschlüssig, aber noch immer eher positiv dazu eingestellt. Ich bin über die Jahre auch mit dem Gesetz in Konflikt geraten, aber der Besitz wird in Deutschland ja nur in Einzelfällen bestraft. Das beste Argument für die Legalisierung ist wohl der unnötige Aufwand für die Justiz und die damit verbunden Kosten für den Staat. Aber egal: Gras gibt es an jeder Ecke. Zu Beginn hat uns Willi versorgt. Der hat es vom Türken in Hunderterpakete gekauft. Als ich in eine andere Statdt kam, hat meine Arbeitskollegin mich mitversorgt. Und ich hatte einen Deal mit meinem Nachbarn. Der hat mir jeden Monat ein Gramm in den Briefkasten geworfen, dafür dass er über mein W-LAN Fifa zocken durfte. In Bonn gibt es die Hofgartenwiese, wo man beim freundlichen Afrikaner einen Zehner auf die Faust kaufen kann. Die Versorgung in Deutschland ist wohl ziemlich lückenlos. Und jeder Kiffer aus NRW hat wohl schon dn obligatorischen Trip nach Maastricht gemacht. Mein Lieblingsladen war immer das Heaven 69. Freundliche Girls und weltklasse Milkshakes.

Meine letzte Connection war allerdings einmalig. Ein kleines Türkisches Coffee Café direkt um die Ecke. Täglich von elf bis elf geöffnet. Die Preise waren eher übel, aber es war eben praktisch ohne Ende. Kein Telefonieren, kein Warten, kein Stress. Einfach rein, an der Theke, bestellen und ab nach Hause. Supereasy. Die ganze Bude hatte nur diesen einen Zweck. Es gab so eine Art Code: man musste nach einer bestimmten Person fragen und schon war alles geritzt. Natürlich haben das auch die Cops irgendwann gerafft, aber dann wechselte einfach das Personal und es ging wieder von vorne los. Das Café gibt es noch, ich gehe nur nicht mehr hin.

Gesetzliche Regelungen ändern einfach gar nichts. Die NPD verbieten zu wollen, führt schließlich auch zu nichts. Genauso wie es die Rechten immer geben wird, wird es auch immer Kiffer, Kokser und andere „Rangruppen“ geben. Ich denke die Legalisierung wird kommen. Die Amerikaner probieren es ja grad. Ich bin mal gespannt, welche Ausmaße das dort annimmt. Aus Holland hört man ja eigentlich nur Gutes dazu.

Mir war das immer wurscht. Ist eine Connection verebbt, fand sich irgendwo die Nächste. In meinem Telefon habe ich noch immer ein paar Nummern, die ich stets nur für den einen Zweck angerufen haben. Die Namen dazu lauten: J, Flötz, der Dicke u.s.w. Aber um das Thema Sucht auch an dieser Stelle aufzugreifen: es ist ganz einfach herauszufinden, ob man ein Problem mit dem Kiffen hat. Du hast nur noch ein, zwei Gramm zu Hause und fängst dann bereits an die ersten SMS zu schreiben: „Yo J, wie sieht es aus? Ist der Günter bei Dir? Ich muss ihn sehen.“ Oder: „Hey Dicker, was geht? Hast Du Mary Jane getroffen. Ich brauch nen Termin.“ Kein Gras zu Hause zu haben war nicht cool. Das hat mich gestresst. Und das letzte Gramm hab ich stets am Stück weggeballert. Anstatt ein bisschen was für den Fall der Ebbe aufzubewaren, habe ich dann noch mehr geraucht, als ich es eh schon tat. Und die Zeit zwischen Leerstand und Nachschub war stets unentspannt. In diesen Phasen habe ich oft erkannt: Mann Franzl, Du hast ein echtes Problem. Aber dieses Problem konnte ich auch später angehen. Diese Situation habe ich bestimmt hundertmal erlebt. Trotzdem hab ich immer Nachschub geholt. Und weiter gebufft. Und immer weiter gebufft. Die Anzeichen für einen problematischen Konsum sind so eindeutig. Und trotzdem ist der Ausstieg unheimlich schwer. Erst die wahre Erkenntnis führt zum Erfolg.

Also: Bist Du nervös, wenn der Stoff zu Ende geht? 

Dann rede mit Jemandem. Such Unterstützung. Weihe enge Bekannte ein. Stell dich Deiner Sucht. Sucht ist ein Problem, aber kein Weltuntergang. Ich fühle mich jetzt, nach zehn Wochen, schon viel freier. Ich bin immernoch moody und schlafe komisch, aber es wird. Es wird besser.

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