Das Eichhörnchen und die Stilfrage.
Heute bin ich über einen Blog-Beitrag vom MC Winkel gestoßen. Seine Geschichte beschreibt er ein bisschen anders, aber ich bin sicher, dass auch der Winkel ein paar der Auswirkungen kennt, die ich hier bereits angesprochen habe: Kiffer für die Rebellion zum Beispiel und vielleicht stellt er auch seine Identität in Frage, so wie es viele unter uns getan haben. Winkel ist ein Blogger der ersten Stunde und ich verfolge sein Zeug schon eine ganze Weile. Er ist in seiner zweiten Woche und verspricht seine Leser auf dem Laufenden zu halten. Ich bin gespannt. Er geht, anders als ich, ganz offen mit seiner Geschichte um. Gut so – vielleicht lüfte ich irgendwann auch mal meine Identität und stehe zu meiner Geschichte. Bislang habe ich das Thema, vor allem im beruflichen Umfeld eher inkognito gehalten. Ich wollte einfach nicht in diese Kiffer-Schublade gesteckt werden. Schließlich war ich ja Business-Kiffer und nicht einer dieser zotteligen, dreadlockigen Verpeilten. Das ist keineswegs beleidigend gemeint, nur meine Interpretation der allgemeinen Wahrnehmung eines „Kiffers“.
Scheiße, es geht mir gut. Mehr als acht Monate sind seit meinem Einstieg in die Abstinenz vergangen und ich fühle mich mit jeder Woche besser. Für mich war der Joint zu Feierabend ein so elementares Ritual und ich war sicher, dass er mir gut tut. Für mich war das der richtige Weg den Stress des Alltags abzuschalten und in den Ruhemodus zu wechseln, quasi auf Knopfdruck. Eher auf Dreh am Rädchen, da ich stets BIC-Feuerzeuge mit Rädchen bevorzugte. Stil war immer ein Thema. Wenn ich billige Tokai-Feuerzeuge in Benutzung sehe, verdrehe ich noch heute die Augen. Stil war mir wichtig. Ich hatte auch nie mehr als drei Stummel im Aschenbecher. Hatte ich Besuch, aber ich Kippenrauchern stets einen eigenen Aschenbecher hingestellt. Ich wollte meinen Joint einfach ablegen können, ohne das gleich der Geruch stinkender, angesengter Filter in der Luft liegt. Ich hab Pfeifenraucher auch nie verstanden, die ihre Köpfchen einfach auf dem Tisch ausgeklopft haben, so dass der nach ein paar Pfeifendurchläufen aussah, wie bei Hempels. Nein Nein, bei mir war immer alles Tutti. Auch meine Joints sahen aus, als kämen sie aus der Fabrik: kein Knick und vor allem keine überlangen braunen Schamlippen, die entstehen, wenn das Papier über den Tipp ragt. Kann man doch abbrennen, oder besser einfach so basteln, dass der Tipp ein bisschen unten aus dem Joint rausguckt. Stil halt. Krümel, die beim bauen entstehen, habe ich nach dem Bauen mit der Blättchenpackung in eine kleine Schale gekehrt und nicht einfach auf dem Tisch gelassen. Aus dem Inhalt ließen sich fantastische Reste-Tüten bauen, die richtig geknallt haben. Keine Ahnung warum.
Heute kann ich über diese Interpretation von Stil, und mein Verständnis davon, schon gut lachen. Was war ich doch für eine Laberbacke. Süchtig war ich. All diese Ordnung und Einbildung von Sorgfalt und Klasse war nur die Stimme des Eichhörnchens, dass mir den Konsum schöngeredet hat. Klar, als Instrument hat das Gras seine Wirkung vollbracht. Mit dem ersten Zug war der Ruhemodus angeklickt und ich hab mich nicht mehr mit den Aufgaben des Tages, der Woche und des Lebens auseinandergesetzt. Für den Rest des Abends war Ruhe. Am nächsten Morgen habe ich dann mehr schlecht als Recht die wichtigsten Tasks abgearbeitet und mich zur nächsten Ruhephase durchgeschlagen. Abschalten ist wichtig und ich bin immernoch auf der Suche nach einer guten Möglichkeit dazu. Sport klappt perfekt. Wenn ich einen Ball in der Hand habe, ist alles andere ausgeblendet. Aber das ist eben keine Möglichkeit für den Abend auf der Couch, um das Gehirn ein bisschen zu beruhigen und die Gedanken langsam auf Schaf zu polen. Of mache ich abends ein Hörbuch, oder WDR5 an um ein bisschen Ablenkung zu haben und häufig erwische ich mich dabei, dass mein Gehirn trotzdem weiter die offenen Punkte meiner ToDo-Liste bearbeitet. Gras hat diesen Prozess einfach gestoppt. Ein Zug und es herrschte Stille.
Meine Lösung ist Organisation. Ich schreibe viel auf. Mache mir Listen mit Aufgaben für den nächsten Tag und versuche sie der Reihe nach abzuarbeiten. Das scheint zu helfen. Oft stehe ich Abends noch mal aus dem Bett auf und schreibe ein, zwei Dinge auf ein Post-It. Danach kehrt dann oft Ruhe ein, denn ich weiß, dass ich die Aufgabe notiert hab und nicht vergesse. Nach 8 Monaten Abstinenz beschäftige ich mich mit solch einfachen Lösungen. Aber Lösungen sind eben besser als Sorge über Unzulänglichkeit. Die hat nämlich in meiner Kifferzeit die Oberhand gehabt. Ich bin viel entspannter geworden und Sorge mich deutlich weniger. Kleine Schritte, große Schritte – schon am Anfang war mir klar, dass Arbeit auf mich wartet.
8 Monate sind ein Riesenerfolg, dass muss und darf ich für mich selbst anerkennen. Auch ein bisschen Stolz ist okay. Ich muss das Wort Stil neu definieren. Am Wochenende war ich seit langem mal wieder ernsthaft Klamotten kaufen, keine Sneaker, North-Face-Jacken oder bunte kurze Hosen, sondern Business-Outfits. Das hab ich nie gemocht, aber diesmal hatte ich Spaß dran. Mein Selbstverständnis wird besser. Business-Kiffer hab ich mich geschimpft. Der Kiffer ist Vergangenheit und jetzt bastele ich am Mann. In kleinen Schritten. Besser spät als nie.
Ich bin ein bisschen geheilt. Ich hab keine Angst vor einem Rückfall, wenn es passiert, stehen schon in diesem Blog viele Gründe, die mir sagen, dass der tägliche Joint am Abend eine enorme Bremse ist. Nein, ich fühle ich mit gut und freue mich auf Alles, was kommt. Weiter so.
Bleibt dran. Es lohnt sich. Euer Franzl.