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Kippen und Bier.

„Lecker Rooche“. Ich hab immer gerne geraucht. Als wir als Kids mit 14 oder so den Alkohol endeckten kamen auch schnell die Kippen dazu. Es wohl dieses Gruppending, dass mich dazu gebracht hat. Und es war irgendwie cool. Alle „coolen“ Leute haben geraucht. In den 90ern war es ja noch Allgegenwärtig. In Kneipen, im Zug und sogar im Flieger wurde schön abgedampft. So bis 19 habe ich durchgeraucht, dann zwei Jahre Abstinent gelebt und dann viele Jahre ausschliesslich Tüten gepafft. Das fand ich irgendwie logisch. Vielleicht mal ein paar geschnorrte Kippen auf Parties, wo kiffen kein Thema war. Jetzt, wo ich entschieden habe kein Gras mehr zu rauchen und die Dumpfheit zu überwinden, rauche ich wie Helmut Schmidt. Ekelhaft. Ich treibe Sport und ernähre mich halbwegs ausgewogen, aber diese Schmacht scheint momentan unüberwindbar.

Nachts, wenn ich mal wieder von einem Traum geweckt werde, stehe ich auf und rauche ne Zigarette im dunklen Wohnzimmer. Auf dem Weg zum Training rauche ich noch einen auf dem Fahrrad. Morgens eine beim kacken und abends noch eine nachdem Zähne putzen. Was soll das? Momentan habe ich noch die Ausrede, dass die Kiffbaustelle erstmal oberste Priorität hat und das ich mich die Kippen-Problematik kümmere, wenn ich mich ein bisschen stabiler fühle. Nicht vergessen, Franzl – Kippen sind ekelig.

Seitdem ich nicht mehr jeden Tag high bin, setze ich mich auch mit dem Trinken auseinander. Das kam ganz von selbst nach einem harten Saufabend. Der Anlass dazu war ein positives Erfolgserlebnis im Sport. Nach sehr guter Leistung wurde ich von der Mannschaft gefeiert und wir sind ein bisschen ausgerastet. Ist ja auch nix dabei. Trotzdem habe ich mich am nächsten Tag gefragt, ob das denn sein muss? Gestern lief es ähnlich. Exzess ist das Stichwort. Schon beim Kiffen habe ich es gerne und absichtlich übertrieben. Ich muss auch das im Auge behalten.

Ich trinke nur selten allein und habe es von Beginn meiner Kiff-Abstinenz bewusst vermieden das abendliche High durch ein, zwei Bier zu ersetzen. Ich habe es jetzt schon ein paar Mal geschrieben. Es geht bei uns Süchtlingen wohl häufig nicht um das Gras selbst, sodern um diese Suchtmechanik. Jeder Kopf ist anders, und Obacht das erste Gebot.

Sucht ist Schwäche und ich möchte stark werden. Stärker als jede Substanz.

Kleine Schritte. Große Schritte. Eine Sache der Perspektive.

Kurzer Zwischenbericht. Momentan hänge ich ein bisschen durch und mir fehlt ein bisschen die Motivation. Stagnation. Beruflich plätschert es so daher und privat ziehe ich mich momentan ein bisschen zurück. Etwas mehr als acht Wochen bin ich nun clean. Es fällt mir schwer stolz auf mich zu sein. Für mich ist das noch keine Leistung und ich würde die Zeit gerne ein Jahr nach vorne drehen. Die Fortschritte fühlen sich klein an.

Gestern Abend war ich sehr down, doch heute morgen hat mich ein Termin bei meiner Suchthilfe-Beraterin ein bisschen aufgepeppelt. Ich nehme die kostenlose Hilfe der örtlichen Diakonie in Anspruch und das kann ich allen Leidensgenossen nur empfehlen. Es war bereits der fünfte Termin, jedoch erst der zweite seitdem ich wirklich den Entschluß gefasst habe aufzuhören. Für meine Beraterin sind die Schritte größer als für mich und dieses Feedback tut gut.

Ich arbeite daran die Baustellen zu enttarnen, an denen ich in Zukunft arbeiten muss. Das ist zum Teil wirklich schmerzhaft. Konzentration ist ein Thema: ich wollte es nie wahrhaben, aber meine Leistungsfähigkeit ist durch den langjährigen Konsum eingeschränkt. Ich habe schlicht nicht die Kraft acht Stunden am Stück konzentriert zu arbeiten. Selbstbewusstsein ist auch ein Thema. Ich bin groß, sportlich und relativ redegewandt – dennoch plagen mich Zweifel. Ich wünsche mir eine Partnerschaft. Doch ich merke, dass ich für eine gesunde Beziehung nicht fit und nicht leistungsfähig genug bin. Was kann ich momentan schon bieten? Wenn ich das so schreibe, sage ich zu mir selbst: sei nicht so eine traurige Heulboje. Aber so ist es momentan und ich muss abwarten und weiter arbeiten, verarbeiten und Perspektive schaffen. Kleine Schritte machen. Weiter clean bleiben.

Ich verarbeite eine Sucht und das auch wenn sie mich nicht runiert hat, ich körperlich gesund bin und mein Kopf noch „halbwegs“ funktioniert, darf ich den Ernst der Lage nicht vergessen. Es waren zehn Jahre, in denen ich mich selbst belogen habe. Eine unbequeme Wahrheit.

Warum bin ich süchtig geworden?

Woche 8. Der Frühling kommt durch und ich fühl mich okay.

Die Nächte sind immernoch durchwachsen, aber das ist okay und ich habe das Gefühl die Sache pendelt sich ein. So langsam komme ich auch dazu über das Geträumte nachzudenken und zu reflektieren. Momentan mache ich mir die meisten Gedanken darüber, warum ich überhaupt süchtig geworden bin. Hat sich die Gewohnheit einfach eingeschlichen? Habe ich die Schmacht nach Nikotin einfach verwechselt, oder steckt tatsächlich ein tieferer psychologischer Grund dahinter?

Im letzten Beitrag ging es um High und Low. Viele, viele Joints habe ich gebaut, um eine schöne Situation noch ein bisschen zu pushen. Ein Jonny mit Freunden am See in der Abendsonne, beim Grillen und Biertrinken, führt nicht in die Melancholie. Er führt ins High. Aber die Joints, die ich zu Hause und alleine drehte, wenn ich mich in einer Sinnkriese fühlte, nicht happy und high, sondern low und traurig, sie definieren das Wort „Sucht“.

Ich fühle emotional ganz ordentlich entwickelt. Habe ich mich selbst belogen? Jetzt suche ich nach verdrängten Problemen: ist die nicht vorhandene Beziehung zu meinem Vater ein Problem, dass mich tief bedrückt? Ist seine Alkohol- und Spielsucht für mich von tieferer Bedeutung. An dieser Stelle mal eine Buchempfehlung: „Der Minus-Mann“ von Heinz Sobota. Das Buch dreht sich um einen Mann, der nunja, ein Arschloch ist. Es geht um Sucht und Gewalt. Mir hat es ein paar Erkenntnisse gebracht. Jedenfalls lautet der erste Satz:

„Wenn einer nicht den Mut hat,
seine Mutter zu ficken,
sollte er wenigstens seinen Vater
erschlagen.“
Siggi Freud hat sich damit intensiv auseinandergesetzt und offenbar ist das Thema in der Literatur durchgängig vertreten. Ich liebe meine Mutter und mittlerweile hege ich ein bisschen Hass und viel Mitleid für meinen Vater. Doch, ich will sie nicht ficken und ihn nicht umbringen. Aber bin ich vielleicht doch nicht so frei und selbstbestimmt, wie es mir einrede? Der Gedanke, ich hätte meinem Alten Herrn nach einer Auseinandersetzung auf’s Maul hau’n sollen, ist mir schon gekommen. Und in meiner letzten Beziehung habe ich meine Freundin auch mal liebvoll Mutti genannt. Aber das ist doch kein Grund bei jeder Gelegenheit einen Joint anzustecken. Süchtig zu werden. Soll es tatsächlich so sein, dass ich mich hinter der Kifferei versteckt habe?
Ich will das nicht wirklich glauben. Bin ich wirklich so weich, schwach und instabil? Ist die Sucht wirklich nur ein Zeichen von Schwäche und Flucht, so wie es Suchtberater schildern? Bin ich deshalb vom High ins Low? Das ist natürlich eine sehr philosophische Fragestellung, die ich womöglich nie endgültig klären kann. Aber die Frage beschäftigt mich. Warum bin ich süchtig geworden? Eigentlich ist es auch wurscht. Jetzt möchte ich es nicht mehr sein und diese Erkenntnis soll erstmal reichen.
Das Leben ist schön. Melancholie ist Herbst im Kopf. Ich stelle mich der Kälte und der Einsamkeit, denn ich habe es selbst in der Hand auszubrechen und den Frühling in mein Herz zu lassen. Ein bisschen Sonne im Gesicht. Ein ehrliches Gespräch mit einem Freund. Ehrliche Freude. Der Kopfherbst lässt sich nicht auf Kommando ablösen. Aber oft geht es doch sehr plötzlich. Aus Low wird High. Ohne Dope.
Ich werde diese Freud’sche Ödipus-Angelegenheit irgendwann auch mal mit einem gelernten Psychologen besprechen, aber Alles zu seiner Zeit. Jetzt konzentriere ich mich darauf den Frühling in meinen Kopf zu lassen. Auffi.
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