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Mein neues Leben ohne Dope.

Ein neues Zeitalter. Ein neues Leben. Plötzlich drogenfrei. Naja, abgesehen von Kaffee, Kippen und Kölsch. Gestern hatte ich Besuch von einem alten Kifferkumpel, der sich auch prompt einen Joint bastelte, als er auf meiner Couch Platz nahm. Hast Du einen Tipp für mich? – Ja, weniger Kiffen. Hahaha. Er war so höflich, vorher zu Fragen, ob ich damit Schwierigkeiten hätte. Habe ich nicht. Null. Ich kiffe nicht mehr. Das ist wirklich einfach, aber immernoch komisch. Ich entferne mich immer mehr von diesem Lifestyle und ich vermisse ihn auch nicht.

Mein Leben hat sich deutlich verändert. Ich renne diesem Dope nicht mehr hinterher. Der ewige Rausch, diese ewige Dumpfheit im Kopf wurde abgelöst. Durch ein bisschen mehr Klarheit. Mehr Zeit für Konstruktivität. All die Sorgen, die mich zu Beginn begleitet haben, sind verpufft. Ab und zu flimmern sie schwach und unklar vor meinem inneren Auge, aber richtig fassen kann ich sie schon gar nicht mehr. Die Zukunft ist mir plötzlich viel näher. Greifbar. Noch vor einem halben Jahr war sie dunstig und ungewiss. Jetzt fällt es mir viel leichter konkrete Pläne zu schmieden und darauf hinzuarbeiten. Ich bin den richtigen Weg gegangen.

Aufregung. Das ist ein Gefühl, dass ich richtig lang nicht mehr empfunden habe. Momentan ist beruflich ein Projekt in der Schwebe und ich bin richtig freudig, wuselig angespannt. Das ist großartig und ich glaube das ist mir in der Kifferzeit abgegangen. Ich habe immer Alles einfach hinter mich gebracht. Durchhalten, abhaken, basteln – nicht mehr drüber nachdenken. So war es leicht, schwierige Situation durchzustehen, aber irgendwie habe ich dadurch auch diese freudige Erregung auf und durch die schönen Dinge des Lebens verloren.

Ich habe von Joint zu Joint gelebt.

Dieser Satz aus der Vergangenheit dieses Blogs kommt mir dabei immer wieder in den Sinn. Er beschreibt auch schön die Sucht an sich. Alles dazwischen war mein Leben und trotzdem habe ich immer nur an den nächsten, ruhigen Joint bei mir zu Hause, alleine auf der Couch gedacht. So denke ich zumindest heute über mein Konsumverhalten. Ich war unterwegs, zwischendurch hatte ich auch Spaß, aber so richtig frei und ausgelassen war ich in dieser Zeit wohl nie. Immer stand dieser nächste Joint auf dem Programm. Einfach immer.

Mein neues Leben ohne Dope. Der Titel ist banane. Es ist das gleiche Leben und ich bin immernoch ich. Mein Wesen hat sich nicht verändert. Ich war auch dauerbreit ein ausgeglichener, etwas zu verkopfter, sportlicher und nachdenklicher Typ. Aber eins ist neu: ich habe die Kontrolle wieder übernommen. Die Zukunft fühlt sich nicht mehr so vorherbestimmt an. Ich kann wieder lenken und sollte mal ein Eisberg auftauchen, fahr ich halt drum herum oder schmelz das Ding einfach weg, anstatt mich einfach am Joint festzuhalten und stur abzuwarten bis das Spektakel vorbei ist.

Weiter geht die wilde Fahrt. Ich freu mich richtig auf den weiteren Verlauf dieses verrückten Jahres. Letztes Jahr um diese Zeit war ich richtig down. Jetzt hab ich Bock auf mehr. Tatendrang nennt man das wohl. Ihr da draußen. Das tägliche kiffen zu lassen ist sicher nicht der Königsweg zum Glück, aber wenn ihr häufiger einsam; traurig; melancholisch oder anderweitig trübselig seid: dann legt das Kraut beiseite. Niemand verbietet Euch zu kiffen. Es ist jedes mal eine bewusste Entscheidung für den Rausch und gegen die Kontrolle. Macht eine Pause. Das ist nicht immer leicht. Aber ich behaupte mal dreist, dass es sich immer auszahlt. Werdet stark.

Joint, Bong, Blunt, Dose, Erdloch und Co.

Blunts

Dicke Blunts.

Ich war ein sturer Joint-Raucher. Ich habe einfach immer gerne gebastelt. Hacken, grinden, zupfen, Mischung aufs Paper und schön gleichmäßig zusammenrollen. Ich halte mich einen guten Dreher. Meine Joints sahen immer gleich aus. Ein schöner Konsus, nicht zu dick vorne und unbedingt faltenfrei. Ich konnte wirklich alles überall zu einem Joint verdrehen. Tip rechts oder links, normal oder inside-out, gedrehter Tip oder Marokk-Style – alles kein Problem. Am liebsten habe ich zu Hause an meinem Couchtisch gebastelt. Dort hatte ich meine persönlichen Lieblingsutensilien: schwarze OCBs, OCB-Tips (am liebsten die unperforierten) und meinen unschlagbaren Metallgrinder. Aber zur Not konnte ich auf im offenen Skilift bei Schneefall basteln. Das ist Schwierigkeitsstufe elf. Wer das drauf hat, kann überall drehen. Ach, wie oft ich dieses Ritual vollzogen habe ist heute unfassbar. Ich war stolz auf meine Joints, als wäre es eine Handwerkskunst.

Einschub: Auf das Thema Stolz hat mich Mitstreiterin Thandie gestern gestoßen. Ich habe von meiner kurzer Gaunerkarriere erzählt und in den Kommentare berichtete sie von Ihrer Coolness beim Transport ihres Eigenbedarfs vom Heimatort ins Studiendomizil. Auch, wenn ich übers basteln schreibe ist ein bisschen peinlicher Stolz dabei. Es ist Teil meiner Geschichte und ich mochte diesen Lifestyle ein bisschen außerhalb der Norm. Ich schreibe hier aus der Vergangenheit. Mein Leben war Weed, ich war Kiffer und habe das nie als Brandmal empfunden, sondern gefeiert. Heute möchte ich kein Kiffer mehr sein. Doch Franzl bleibt Franzl. Aus Vergangenheit wird Gegenwart und heute baue ich lieber Fahrräder als Joint. Aber ich bleibe „postmoderner Hippie“, wie es Thandie passend nennt. 

Wurde mir ein Joint von einem Freund gereicht, erkannte ich diesen am Aussehen und spätestens am Geschmack. Freund Schiller hat stets hässliche und meist schwache Stickies gebastelt, dafür aber auch mal 30 Stück an einem Abend. Mein Freund Wilhelm Busch hat am Liebsten Bong gekifft. Für die Anzahl der Bong-Köpfe, die ich mir reingepfiffen haben, reicht die Anzahl meiner Finger. Letzte Woche habe ich eine neue neue Methode Gras zu rauchen kennengelernt, natürlich ohne es zu probieren. Das ist Vergangenheit. Wollen wir doch mal sehen, was ich noch so kennenlerne. Ich liste mal, was ich so kenne und bitte um Erweiterung in den Kommentaren, solltet ihr noch was auf Lager haben.

Die Standards – Joints, Blunts, Bong: Weed in Papier oder dicke Tabakblätter drehen ist wohl die Standardprozedur. Und ne Bong hat jeder Kiffer wohl auch schon gesehen. Dazu zähle ich außerdem alle Rauchgeräte, die ein Mundstück und einen Kopf oder Chillum haben. Die Dose zum Beispiel: Kickloch reinbasteln und mit einem Piekser mit kleinen Löchern eine Art Kopf in eine Seite perforieren. Auch lange Papprohre lassen sich so natürlich umfunktionieren.

Für Naturburschen – Das Erdloch: Irgendwie ekelhaft, aber seltsam verbreitet. Funktioniert wie oben. Man braucht nur einen Hohlraum bauen, der den Rauch aufnehmen kann und bastelt ans eine Ende eine Art Mundstück und ans andere irgendeine Lösung um Gras-Tabak-Mischung zu verbrennen.

Für den kleinen Kick unterwegs – die Crackpfeife: Habe ich das erste Mal auf Abschlussfahrt in Prag benutzt. Während wir mit der gesamten Stufe eine Stadtführung machten, haben wir uns so eine kleine Metallpfeife im nächsten Headshop gekauft. Eine ganz einfache Pfeife mit Siebchen und Minikopf am Ende. Einfach Mische drauf und wegrauchen. Karlsplatz und Wenzelsbrücke, oder andersrum, waren so irgendwie noch schöner.

Zum richtig weballern – Eimern: Man nehme eine Plastikflasche und trenne den Boden ab. Auf das Mundstück wird ein Kopf gebastelt, worin die Mischung Platz findet. Jetzt kommt der Eimer zum Einsatz. Natürlich kann man jedes stehende Gewässer benutzen. Die Flasche wird eingetaucht, der Kopf angezündet und dann zieht man die Flasche langsam hoch, so dass die Mischung durch den Unterdruck verglüht. In der Flasche sammelt sich der Qualm, der dann durch das erneute Eintauchen der Flasche ruckartig in die Lunge gepumpt wird. BÄM!

Für Profis und Nichtraucher – der Vaporisator: Eigentlich ist das ein medizinisches Gerät, aber seit nicht allzu langer Zeit stehen auch Kiffer drauf. Dem Namen nach ein Verdampfer. Die Inhaltsstoffe im Gras werden professionell aus dem Kraut gedampft. Diesen Dampf, von Rauch kann man gar nicht sprechen, inhaliert man und bekommt ein klares High, ohne ernsthaft zu rauchen und somit die ganzen Nebenprodukte zu inhalieren. Ich bin Raucher, ich hab es nie probiert. Das Knistern und smökern gehörte für mich irgendwie dazu.

Wenn es nur einen Minikrümel gibt – der Aufleger: Hat wahrscheinlich ein Knasti erfunden. Zumindest kenne ich die Prozedur von Sickboy und seinen Geschichten aus der JVA Meppen. Wenn nur ganz wenig Hasch zu bekommen ist, rollen sich die Jungs aus 0,2 Gramm fast Post-IT-große Lappen, die sie in kleine Plättchen schneiden. Diese ganz dünnen Piece-Blättchen legen sie auf die glühende Asche einer Zigarette, warten bis die Pappe glüht, und ziehen den Qualm durch einen Strohhalm in die Lunge. Irgendwie clever und es soll gut funktionieren.

Für den guten Afghanen – die Käseglocke: Ein Abwandlung des Auflegers für den Fall, dass es nicht zu wenig, sondern besonders gutes Hasch gibt. Es wird eine kleine Ecke abgebrochen, auf eine Reiszwecke gesteckt, angezündet, ausgeblasen und dann unter ein Glas gestellt. Der Rauch sammelt sich unter der Glocke und wird dann anschliessend mittels Strohalm eingezogen.

Weitere Varianten sind mir nicht bekannt. Habt ihr noch was auf Lager? Würde mich brennend interessieren. Bitte schreibt ein Kommentar und ich werde den Post dann aktualisieren. Danke ihr Gauner!

Franzl dealt Gras.

Ama Gangta! Zwei 300 Gramm Beutel feinstes Holland Weed lagen auf dem gefliessten Couchtisch. Wilhelm Busch und ich saßen auf seiner schwarzen Ledercouch, unten in seiner Gaunerhöhle. Im Keller des Elternhauses, der eigentlich mal einen Pool beherbergen sollte. Das Kraut brachte uns der Türke, ein Freund, unser steter Versorger und nun unser Partner in Crime. Wir wollten eine Sprosse auf der Leiter dieses Businesses nach oben steigen. Statt 20, oder auch mal 50 Gramm für den Eigenbedarf, kauften wir also mehr als ein halbes Kilo Dope und fühlten uns dabei wie Toni Montana und Pablo Escobar. Aufs Gramm bezahlten wir 4 Mark 30. Heute unfassbar, damals ein okayer Tarif. Wir waren jetzt Dealer – keine billigen Kleinkiffer mehr. Wir hatte mehr als wir rauchen konnten, fingen an Purjoints zu basteln und uns wie richtige Gangster zu fühlen. Scheisse, wir waren gerade einmal zwanzig Jahre alt und wussten nicht einmal wie man richtig fickt. Und beim Anblick einer schwarzen Glock, wie sie die richtigen Gangster in Compton bei sich trugen, hätten wir uns in die Hosen geschissen.

Es dauerte nicht lange bis wir im Geschäft waren. Unsere Nokia-Handys vibrierten ununterbrochen und plötzlich war das ein richtiger Job. Yo Franzl, ist der Günter bei dir? Ich schulde ihm noch einen Zwacki. – Klar, ich bin um 3 am toom-Parkplatz. Ich weiß heute nicht mehr, ob diese Code-Sprache Teil unserer Jugendkultur war, oder ob wir dachten es gehöre zum Business. Wir waren nicht unvorsichtig, aber dennoch sehr amateurhaft. Es war aufregend. Wir waren reich, hatten ständig mehrere 100 Mark in der Tasche und kauften uns unnötiges Zeug ohne Ende: DVDs, Air-Max 90 und anderen „coolen“ Kram des frühen Jahrtausends. Essen gehen ist mit Anfang Zwanzig echt aufregend, ebenso Volltanken oder bei der Party ein Zehnliter-Fass Kölsch für die Jungs zu spendieren. Es war das Leben der Rockstars, nur mussten zwischendurch noch in die Schule. Naja, zumindest zu den Leistungskursen.

Das Gras war wirklich gut damals. Sauber erzeugt und gut geerntet kam das Dope über Umwege aus Holland, versehen mit Namen für die Ewigkeit. WW, mit Edding auf den Beutel geschrieben, stand für White Widow. Oder PH für Purple Haze, wobei man diese Sorte auch so direkt erkennen konnte. Wenn mal SS auf einem Beutel stand sind wir vor Freude ausgerastet. Es war Super Skunk im Haus. Es waren goldene Zeiten für zwei Jungs, die ihren Platz im Leben noch nicht gefunden hatten. Wir wollten high sein und wir wollten das High Life. Von Sucht waren wir beide noch weit entfernt. Wir kifften aus Spaß und um uns abzugrenzen. Wir wollten das Leben leben, dass wir aus Hollywood und vom 90er HipHop kannten.

Das Ende der Geschichte ist so kleinbürgerlich, wie wir selbst es waren. Die ganze Eskapade dauerte nicht länger als ein Jahr. In meinem Fall war Mama der Grund. Sie fand meine Ration im innerern meines PCs. Nach einer Weile machte ich mir nicht einmal mehr die Mühe den Gehäusedeckel richtig anzubringen, sondern lehnte das Ding nur noch dagegen. Sie konfrontierte mich mit dem Beutel in der Hand, als ich nach Hause kam. Es waren Drogen. Welche, davon hatte sie keine Ahnung. Wahrscheinlich dachte sie, es wird gespritzt. Die Geschichte mit Christiane und dem Bahnhof spukte noch durch ihren Kopf. Ich erklärte ihr, dass es Gras war und fragte, ob sie in den 70ern nie damit in Berührung gekommen wäre. Ich dachte in der Zeit hätte alle dauernd gekifft. Mama war nicht an der Uni, protestierte nicht, praktizierte auch keine freie Liebe und was sie auf keinen wollte war einen Sohn, der Drogen verkauft. Ich musste ihr versprechen, dass ich damit aufhöre, zumindest mit dem Verkauf. Ich war kein Gangster. Und ich hielt mein Versprechen. Als Gauner war ich jämmerlich, als Sohn bin ich ne Eins. Mein Partner und Freund machte noch ein bisschen weiter und ließ es dann auch irgendwann sein. Einfach zu viel Stress.

Übrig sind Erinnerungen: Ein ganzer Tisch voller Gras. Feinwagen, staubig von Pollen und völlig verklebt vom ganzen Harz. Wiegen und Verpacken. Telefonate,Treffen auf Parkplätzen und der obligatorische geteilte Joint, mit dem der Deal besiegelt wurde. Bargeld in Rollen, zusammengehalten von bunten Gummibändern. Aufregung und Adrenalin. Das Gefühl von Übermut. 

Beim Kiffen blieben wir jedoch beide sehr lange. Als ich ihn das letzte Mal sah, fragte er mich: Darfst Du noch kiffen? Ich muss bald aufhören – die Frau will Kinder. Ich war damals auch in einer Beziehung und ich durfte noch, unter Vorbehalt. Aber das hatte sich dann auch irgendwann erledigt. Die Gangsterkarriere war rasch vorbei, aber meine Kiffer-Karriere hatte gerade erst begonnen. Bis zum Studium blieb es bei ein paar Tüten die Woche. Erst mit der ersten eigenen Wohnung geriet ich den Strudel, der mich auf lange Sicht dazu brachte diesen Blog hier zu starten. Ich war wieder Käufer. Dealer folgte auf Dealer, das Gras wurde immer schlechter und die Beutel, die ich so monatlich durchbrachte, wurden immer größer. Zuletzt waren es so in etwa 250 Euro pro Monat, die ich in Tüten verdrehte. Es war eine monatliche Ausgabe, wie die Miete oder die Prämie für meine Auto-Versicherung. Gras wurde zu einem Grundnahrungsmittel. Es ging einfach nicht mehr ohne. Heute weiß ich: es geht ganz prima ohne den ständigen Rausch. Warum zur Hölle habe ich für diese Erkenntnis bloß so lange gebraucht?

Egal, es hat ebenso so lange gedauert, wie es gedauert hat. Ich bin kein Missionar. Ich möchte niemanden von meinen Idealen überzeugen, denn ich möchte auch nicht überzeugt werden. Ich habe mir schon immer mein eigenes Urteil gebildet. Mich konnte niemand davon überzeugen, dass mein Konsum nicht gesund ist. Dennoch möchte ich Jedem, der sich schon einmal geärgert hat, dass sein Dealer nicht ans Telefon geht, raten sich wirklich intensiv mit seinem Konsummuster auseinanderzusetzen. Sucht ist ein schleichender Prozess – man realisiert die Auswirkungen erst wirklich, wenn man sich rausgekämpft hat.

Stoned auf der BAB.

Vier Monate kifffrei bin ich heute auf den Tag. Die letzte Woche habe ich hier kein Tagebuch geführt. Mein Status hat sich auch nicht verändert. Schlafen klappt ganz gut. Gedanken an einen Joint habe ich nach wie vor selten und die Stimmungsschwankungen halten sich in Grenzen.

Es ist Montag und ich trinke abwechselnd Kaffee und Red Bull. Das Wochenende war kurz und ich bin müde. Egal. Heute erzähle ich Euch eine kleine Geschichte, die Teil meines Abschiedes vom Dope war. Es war Ende letzen Jahres und ich folgte einer Hochzeitseinladung nach Bayern. 3 Stunden Autofahrt. Ohne mir wirklich etwas dabei zu denken, drehte ich mir zwei kleine Tüten vor und setze mich in meinen alten Automatik-Benz. Auf der Autobahn stellte ich den Tempomat auf 110 und zündete mir den ersten Spliff an und fuhr gemächlich auf der rechten Spur Richtung Süden. Es war schon dunkel, die Autobahn war leer und aus im Autoradio schwappte ein ruhiger Indie-Beat. Ich fahre gern Auto, achte das Rechtsfahrgebot und bin ein gelassener Verkehrsteilnehmer. Roadrage kenne ich nicht, eher wundere ich mich über den Hass, der täglich auf deutschen Straßen herrscht. Während der Fahrt zu kiffen war für mich in dieser Zeit nicht völlig Ordnung, aber irgendwie okay. So richtig stoned wurde ich ja eh nicht mehr. Heute sehe ich die ganze Angelegenheit etwas anders und habe mir geschworen mich nur noch völlig klar ins Auto zu setzen. Ich will dieses Verhalten hier auf keinen Fall verharmlosen, aber ich erzähle die folgenden Ereignisse so, wie sie sich zugetragen haben.

Geschmeidig glitt ich durch Hessen und zündete mir kurz vor der bayrischen Grenze den zweiten Joint an. Der Benz ist mit mehr 300 Tausend Kilometer auf der Uhr und trotz seinem stolzen Alter ein wunderbares Reisemobil. Ich rollte so dahin und hing meinen Gedanken nach. Es war bereits die dritte Hochzeit des Jahres und irgendwie beneidete ich die Jungs, um ihre soliden Partnerschaften und Lebenswandel. Sie heiraten, kaufen Häuser, machen süße Kinder und machen Pärchenurlaub, anstatt mit Rucksack und Oneway-Ticket nach Übersee zu fliegen. Während ich mal wieder ins Selbstmitleid abdriftete bemerkte ich plötzlich einen silbernen 5er im Rückspiegel. Oh shit, die fragen sich wohl grad, was der alte Benz mit dem NRW-Kennzeichen hier macht. Am nächsten Autobahnkreuz überholte der Fünfer mich schließlich und die roten Buchstaben wiesen mich an ihm zu folgen. Ich lüftete also nochmal kurz durch und sammelte mich ein wenig.

„Guten Abend, einmal Führerschein und Fahrzeugpapiere bitte,“ begrüßte mich der bayrische Beamte in Zivil. „Servus, aber natürlich“, antwortete ich freundlich und gab ihm die Papiere. Ich erkundigte mich, warum die Beamten mich denn kontrollieren würden und deutete mit einem Verweis auf mein Outfit (Ordentliche Hose, weißes Hemd und Sakko am Haken im Fond) an, dass ich auf dem Weg zu einer Hochzeit war. Verrückterweise trug der Beamte den gleichen Nachnamen, wie der Bräutigam, verwandt waren die beiden jedoch nicht. Es ginge um eine Routinekontrolle und der Suche nach Drogen. Ob ich denn schon einmal in dieser Sache auffällig geworden sei, fragte er und logischerweise log ich ihn in nettem Ton an. Natürlich sagte ich auch, dass ich weder Drogen bei mir führen würde, noch in letzter Zeit welche konsumiert hätte.

Als kleiner Einschub zwischendurch: Lügen ist nicht strafbar. Ich kenne meine Rechte. Ich bin kein Fan der Polizei, hege aber auch kein Gräuel gegenüber Beamten. Sie sind Teil unseres Rechtsstaates und das ist auch gut so. Ich bin froh, dass ich in Deutschland geboren bin, denn ich genoss bislang gerne alle Privilegien, die unseren Staat ausmachen. Die Autobahnen sind gut, die Krankenversicherung exzellent und ich konnte nahezu kostenfrei studieren, obwohl ich aus einer Arbeiterfamilie komme. Aber das nur am Rande.

Ob ich denn einverstanden wäre ein paar Test zu durchlaufen, um meine Aussagen zu belegen. Aber Klar, Herr Kommissar. Die meisten von Euch kennen den Drill wahrscheinlich aus eigener Erfahrung. Erstmal Pupillencheck: Normale Reaktion. Keine Ahnung, ich hatte nie die typischen Klatschaugen. Als nächstes Augen zu, Finger auf die Nasenspitze. Easy. Auf einem Bein stehen. Ich bin sportlich und auch das war für mich keine unlösbare Aufgabe. Zwei, drei Meter Pisspott erledigte ich mit einem lächeln und freundlichem Smalltalk mit der Kollegin des Beamten. Jetzt kam was Neues: Bitte schließen Sie die Augen und schätzen Sie dreißig Sekunden ab. Augen zu und 21, 22, 23 … Als ich Stopp sagte, blickte die hübsche Blonde und ich auf ihr iPhone und was zeigte das Display. 30,34 Sekunden. Innerlich hob ich die Hand zum imaginären High-Five. Das Ding war gelaufen. Für die Bayern-Cops war klar: der Junge ist okay. Der ist nett und clean. So clean, wie Mutters Küche.

Dürfen wir uns denn in Ihrem Wagen einmal umsehen? Mir war klar, dass das nicht gut gehen würde, aber naja. Das gehört eben zu den Rechten der Polizei. Verneinen würde nur Stress bedeuten, also ließ ich den Beamten suchen. Es dauerte nicht einmal zwei Minuten, da fand er meinen Reisebeutel mit OCBs, Tipps und einem kleinen Döschen Weed. Was haben wir denn hier? Sie sagten doch, dass Sie keine Drogen mit sich führen würden. Immernoch freundlich sagte ich ihm, dass ich meine Rechte kennen würde und wir kamen überein, dass es okay sei davon gebrauch zu machen. Naja, das sei in Bayern nicht in Ordnung sagte er. Sprach von Strafanzeige und „Konfizage“. Ich erklärte ihm, dass ich beabsichtigte das ganze Wochenende in Bayern zu bleiben und es doch nicht gegen das Gesetz sei eine Party mit einem kleinen Joint zu beschließen.

Wir müssten dann jetzt zum Revier und die Anzeige zu Papier bringen. Ich solle den Beamten doch hinterherfahren. Ich konnte es nicht fassen. Ich fuhr den Beamten also hinterher. Die hübsche Blonde kümmerte sich um alles weitere. In Bayern wird man erkennungsdienstlich behandelt, wenn man mit Drogen erwischt wird. Also erstmal Fotos machen: zum Glück hatte ich einen Anzug an. Das müssen wohl die solidesten Fotos eines Gras-Konsumenten in der Geschichte Bayerns sein. Danach digitale Fingerabdrücke. Zum Glück benutzten die zu der Zeit schon keine Tinte mehr. Hätte die älteren Hochzeitsgäste sicher irritiert. Ich führe nebenbei ein sehr nettes Gespräch über die Gesetzeslage rund um Cannabis mit der Bayerin. Ich konnte nicht fassen, dass noch immer niemand meine Pisse oder auch nur meine klebrigen Fingerkuppen nach Gras untersuchen wollte. Ich versuchte also das Bild vom soliden Hochzeitsgast, der nur ein bisschen Kraut dabei hat, zu festigen und offenbar gelang mir das. Denn nachdem der Papierkram erledigt war, wünschten mir die Beamten, dass ich trotz dieser Eskapade die Feier genießen solle. Ich entschuldigte mich für den Papierkram, den ich Ihnen aufbrockte und durfte gehen, fahren, feiern. Unfassbares Glück.

Ich setze mich ins Auto, machte mir erst einmal eine Kippe an. Es war nicht das einzige Mal, dass ich ungeschoren davon gekommen bin. Aber zu der Zeit hatte sich in mir schon etwas verändert. Es war natürlich ein bisschen aufregend, ich hatte die Obrigkeit überlistet. Trotzdem, es musste sich was ändern. Ich konnte die Fete nicht richtig genießen. Es war eine tolle Party voller toller Menschen, die sich ehrlich mit und für ein tolles Paar freuten. Das tat ich auch, aber ich konnte nicht verdrängen, dass mein Leben zwar aufregend war, aber doch auch traurig. Ich war traurig. All die Spannung war doch unnötig. Ich trank ein halbes Helles mit den Jungs und stahl mich irgendwann gegen zwei Uhr morgens davon, um wieder heimzufahren. Mir wurden drei Couchen angeboten, ich habe ein angeregtes Gespräch mit der wunderschönen Portugiesin geführt, die ich immer nur auf Hochzeiten und anderen Events dieser Bayerntruppe sehe und dennoch fühlte ich mich beschissen.

Ich setzte mich also wieder in den Benz und fuhr die drei Stunden zurück. Das Gras hatten mir die Cops ja genommen und so hatte ich nichtmal Sorge, dass ich irgendwie illegal unterwegs war. Dabei war der letzte Joint ja erst sechs, sieben Stunden her. Ich hatte wahrscheinlich zehn Jahre ständig aktives THC im Blut. Zu Hause angekommen, dreht ich mir erstmal eine fette Tüte und legte mich mit ihr ins Bett. Mary und ich, wir waren kein Paar, dem andere zu ihrem Glück gratulierten, auf das sie neidisch schielten und bewunderten. Wir waren ein trauriges Paar. Es war höchste Zeit für eine Trennung. Heute bin ich nicht froh, dass ich damals nicht von den Cops gefickt wurde, sondern, dass ich Mary dann irgendwann endlich den Laufpass gab.

Was ist die Moral von dieser Geschichte? Kein Plan. Ich kiffe nicht mehr. Ich habe mich von einer Sucht befreit, die mein Leben bestimmte. So sehr, dass ich nicht einmal für eine Autofahrt zu einer Hochzeitsfeier klar bleiben wollte. Bekifft sein war einfacher, als mich damit auseinanderzusetzen, dass ich traurig über den Ausgang meiner letzten Partnerschaft war. Das ist alles Westentaschen-Psychologie, aber ist dennoch irgendwie logisch. Ich kiffte, um einfache Zusammenhänge zu verdrängen und das machte mich zum Süchtling. Jetzt bin ich clean und nur ganz langsam kann ich diese ganzen kleinen Zusammenhänge aufdröseln. Vier Monate bin ich jetzt dabei, in kleinen Schritten wieder zu einem glücklichen Franzl zu werden.

Weiter geht’s! Bleibt dran und bleibt sauber.

 

THC und OCB ist was ich dreh‘.

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Ich habe zur Studienzeit begonnen, professionell zu kiffen. Nach dem Abi bin ich zu Hause ausgezogen, habe für meinen Lebensunterhalt weitgehend selbst gesorgt und fühlte mich frei. Kiffen war Teil dieser Freiheit. Ich kenne es gar nicht anders. Daheim wird gekifft, auf der Couch gehörte der Joint einfach dazu. Leere Päckchen Papers habe ich in einer Box gesammelt. Anfangs aus Spaß , später im Gedanken an das Mahnmal, das diese Kiste heute für mich darstellt.

Zuletzt hab ich vor etwa zwei Jahren durchgezählt. Da war die Zahl der Joints, die diese Pakete repräsentieren schon deutlich fünfstellig. Eine unfassbare Zahl. Mehr als 10000 mal Rausch. Zehntausend mal klebrige Finger. Ebensoviele gerollte Tips. Meist die perforierten OCB-Tips. Nur im Notfall benutzte ich Laschen aus Kippenpackungen, geschnittene Kartei- oder Visitenkarten, oder andere unwürdige Alternativen. Zehntausend mal bröseln, Blättchen anfeuchten, zudrehen und anhauen.

Die Kiste ist Definition und Beweis meiner Sucht. Ich weiß gar nicht, wie man normal lebt, ohne in den eigenen vier Wänden ständig das gleiche Ritual zu vollführen. Kiffen war Definition von Heimat, Ersatz für Normalität und Entwicklung, die Verdrängung meiner Suche nach familiärer Wärme. Ich funktioniere gut allein. Aber das ist kaum eine Leistung, eher Gewohnheit.

All die kleinen und großen Erkenntnisse der letzten Monate überwältigen mich momentan. Ich bin froh, Vieles davon hier niederzuschreiben und hoffe, dass ich irgendwann Ordnung in den Wust der damit verbundenen Emotionen bringen zu können. Ich fühle mich noch immer zu schwach dafür.

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