Planlosigkeit ist zeitlos.
Nicht die Kifferei ist mein Problem. Es ist die Planlosigkeit. Wo soll ich hin mit diesem Leben? Ich bin 32, unverheiratet, wechsle den Job, sobald ich von ihm gelangweilt bin und fühle mich zu unreif eine Familie zu gründen. Obwohl ich die, die um mich herum Kinder ausbrüten für noch unreifer halte. Zumindest die Meisten stecken in beliebigen Beziehungen. Mädchen suchen sich Ernährer und die Jungs nehmen die, die sie eben rangelassen haben. Ich bin gefangen in der Suche nach einem Sinn. Einem großen Ziel, nach dem schon die Autoren vor 100 Jahren gesucht haben. Wahrscheinlich schon vor 1000 Jahren, als wir alle noch in die Ecke geschissen haben.
Ich fresse momentan Bücher. Letzte Woche Bukowsi, diese Woche Erich Kästner’s Fabian. Es beschreibt die Geschichte eines 32-jährigen „Moralisten“, der zwischen den Weltkriegen ebenso wie ich nach einem Sinn sucht. Er wechselt ständig die Jobs und beobachtet mehr, als das er am Leben teilnimmt. Eine Frau will er nicht und ihm fehlt der Antrieb, weil er fühlt das Europa zwischen den Kriegen steht. Was soll er sich bemühen, wenn er in wenigen Monaten eh wieder an die Front muss.
Ich fühle mich nicht zwischen zwei Kriegen. Kriege kenne ich nur aus den Nachrichten. Und sie sind mir irgendwie egal. Sollen die mal machen. Ich bin abgestumpft durch die Bilder von fehlenden Armen, fliegenden Bomben und dicken, hungernden schwarzen Kindern mit Fliegen auf der Nase. Trotzdem sehe ich keinen rechten Sinn in diesem Dasein. Soll ich denn versuchen was zu ändern? Mich für das Gute einsetzen? Schwachsinn. Diese Situationen sind unterschiedlich, aber ich erkenne dennoch Parallelen. Es ist das Alter und der Übergang von jung zu alt. Ein langsam fließender Übergang. Und die damit verbundene Frage nach dem Sinn dieses ganzen LEBENS. Essen, schlafen, ficken – so, wie es die Instinkte vorgeben? Oder soll ich meinem Gehirn nachgeben und weiter nach einem Sinn grübeln?
Ich bin nicht mehr jung – flirte immer häufiger im „Sie“-Kosmos. Was lesen Sie denn da? – hörte ich noch heute morgen in der Bahn. Go fuck yourself. Ich bin 32, niemandes Herr Vater, und ich will das noch nicht. Hey Girls – mein Lieblings-Anbandlungsspruch – passt doch noch viel besser zu mir. Obwohl ich mit den Twens auch irgendwie nichts mehr anfangen kann. Klar, deren Körper sind noch straff und das Lachen ist noch ehrlich. Aber dafür haben Sie keinen Plan von gar nichts. Letztens hab ich eine 24-jährige Miss Marple genannt, weil sie irgendeinen Zusammenhang halbwegs clever kombiniert hat. Sie wusste nichts damit anzufangen. Wer ist denn Miss Marple? – fragte sie naiv lächelnd.
Ach shit. Dann bin ich halt alt. Älter sogar als das Internet. Fast so alt, wie Kästner’s Herr Jakob, der sich durch zwei Weltkriege wühlen musste. Wenigstens hat er was erlebt. Was mich besonders mit dem fiktiven Protagonisten verbindet ist die Beobachtung. Klar, ich lebe und nehme Teil an diesem Prozess. Habe auch Spaß daran. Aber ich bin auch irgendwie unzufrieden. War es das jetzt schon? Es ist irgendwie unspektakulär, dieses Leben. Ich will kein Philosoph werden und soweit mich bisher belesen habe, ist die Suche nach dem Sinn nicht gerade erfolgsversprechend. 42 – das ist die bislang beste Antwort, die ich finden konnte.
Ich beobachte die Menschen um mich herum immer sehr genau. Sehe Beamte und frage mich, wie einfach ein Gehirn gestrickt sein, dass man mit dem Wissen in den Beruf geht, 40 Jahre lang die ständig gleiche Arbeit zu verrichte, um am Ende mit Haus, Frau, Ex-Frau, 2 Kindern und Audi in Rente zu gehen. Ich sehe Penner und frage mich, ob es ihnen einfach am Antrieb fehlt, oder ob sie richtig machen und einfach drauf scheissen. Das Leben geht eh weiter, und dann stirbst du irgendwann. Ich sehe Leute, die hemmungslos konsumieren und Leute, die sich vegan ernähren und Fair Trade kaufen. Als würde es einen Unterschied machen. Europa ist reich und in Afrika verhungern die Kinder, weil in Asien ein Monatslohn von 30 Dollar funktioniert. Die Welt ist scheisse organisiert, je nach Sichtweise. Ich war immer dankbar in Deutschland geboren zu sein, aber heute sehne mich nach mehr Abenteuer. Es ist zu einfach im Wohlstand zu leben. Ich habe zu wenig Probleme und zu viel Zeit mir einen Kopf zu machen.
Die Kifferei war ein einfacher Weg der Grübelei zu entfliehen. Fast zehn Jahre habe ich mich dem Gedanken entzogen, dass ich ein durchschnittlicher Typ bin, der so durch die Welt eiert und nichts besonders erreichen wird. Dabei finde ich das gar nicht schlimm. Es ist sogar völlig okay. Ich habe mir den Weltschmerz in den Kopf gekifft. Wäre ich ein Heranwachsender in der heutigen Welt, wäre ich wahrscheinlich voll emo. Würde mir die Arme aufschlitzen und traurige Selfies machen.
Aber das bin ich nicht. Und ich bin auch kein Jammerer. Ich habe es gut und ich habe mein Leben in der Hand. Ich kann sowohl ein Pennerdasein führen und einfach alles aufgeben oder noch die Sache mit Frau und Haus und Scheidung und so erreichen. Yuhu. Wahrscheinlich mache ich einfach einen Mittelweg. Wir werden sehen. Ich beobachte weiter. Manchmal macht es mich traurig, manchmal lache ich über das was ich so sehe.